Eins sein

Selbsterkenntnis

Auch hier wieder dieselbe Eingangsfrage wie beim Abschnitt zuvor:
Warum Selbsterkenntnis? Was hat das mit dem Thema “eins sein” zu tun?

Für die Antwort lehnen wir uns so weit aus dem Fenster, dass wir ohne irgendeine Abschwächung sagen können, dass es die wichtigste Eigenschaft für ein gesundes Miteinander als auch ganz generell für das ganze Leben ist (wir werden im nächsten Teil viel genauer darauf eingehen).

Man könnte jetzt einwenden: “Was ist das für ein Unsinn?! Natürlich ist Liebe und Gehorsam das Wichtigste für unser Leben!”

Das stimmt natürlich auch, aber der Einwand zu diesem Einwand wäre:
Ist es möglich, dass es Menschen gibt, die von sich denken, dass sie gehorsam sind und in der Liebe leben, es aber am Ende doch nicht ganz stimmt?
Oder ist es möglich, dass es Menschen gibt, die Gott dienen, aber dies nicht mit reinem Herzen tun? Oder ist es möglich, dass es Menschen gibt, die etwas Gutes tun, aber am Ende nur um von anderen gesehen zu werden?
Klar ist das möglich, denn ansonsten würde unser Herr uns nicht davor warnen:

Mt 6,1 Habt Acht, dass ihr eure Gerechtigkeit nicht vor den Menschen übt, um euch vor ihnen sehen zu lassen … 

In Gemeinschaften werden leider häufig Dinge getan, um sich von anderen sehen zu lassen. Das muss noch nicht einmal aus Stolz und Hochmut geschehen, sondern es kann auch aus dem soeben genannten Grund sein. Soll heißen, dass Geschwister durch ihre Verletzungen teilweise einen so geringen Selbstwert haben, dass sie sich nach Anerkennung sehnen und so eben Dinge tun, um sich von anderen sehen zu lassen.

Um aber schlussendlich wissen zu können, ob es Stolz oder Verletzung (oder eine Mischung aus beiden) ist, braucht es Selbsterkenntnis. 

Und diese Selbsterkenntnis brauchen wir in allen Belangen unseres Lebens. Denn der Einwand, dass Liebe und Gehorsam (und sicherlich auch Gottesfurcht, Dienst, die Führung des Geistes, Gebet und viele andere Dinge) die wichtigsten Aspekte unseres Glaubens sind, stimmt natürlich. Aber wir haben ja soeben anhand des Beispiels “Gerechtigkeit zu üben” gesehen, dass man diese und andere Dinge auch auf eine Art und Weise tun kann, die unserem Gott alles andere als wohlgefällig ist. Damit man sich und seine Herzensmotive aber versteht, braucht es eben erneut die Selbsterkenntnis.

Und diese braucht es auch bei unserem Thema hier. Dazu kurz drei Verse und dann die Verbindung zum “eins sein”:

Jer 17,9 Überaus trügerisch ist das Herz und bösartig; wer kann es ergründen?

Spr 21,2 Jeder Weg eines Menschen ist recht in seinen Augen, aber der HERR prüft die Herzen.

Hebr 4,12 Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam. Es ist schärfer als das schärfste zweischneidige Schwert und durchdringt unsere innersten Gedanken und Wünsche. Es deckt auf, wer wir wirklich sind, und macht unser Herz offenbar.

Hier lesen wir davon, wie das Wort Gottes das Herz offenbart und gleichzeitig aufdeckt, was wirklich unsere Gedanken und Wünsche sind und was genau in unserem Innersten vor sich geht.

Nun ein Beispiel zu diesen drei Stellen im Zusammenhang mit der Selbsterkenntnis und dem “eins sein”:
Jemand sagt: “Ich verstehe es auch so, dass die Bitte unseres Herrn sehr wichtig ist. Ich bin ja auch schon eins mit meinen Geschwistern, weil wir glauben ja alle an die Torah und Jeschua (und versammeln uns am Schabbat)!”

Nach Spr 21,2 ist für diese Person der Weg recht in seinen Augen.
Wer aber nach Hebr 4,12 das lebendige und zweischneidige Schwert, also das Wort Gottes, kennt, der wird wissen, dass weitaus mehr zum “eins sein” dazu gehört als nur das. Es braucht Selbstaufopferung, man muss sich und seine Wünsche hinter die Gemeinschaft stellen, den Nächsten höher achten als sich selbst, für andere da sein, sich Zeit für seine Geschwister nehmen, ihnen dienen und vieles, vieles mehr. Sieht man diese und andere Punkte, die zum “eins sein” dazu gehören, aber nicht so richtig ein, dann kann es sein, dass man sich nach Jer 17,9 selbst betrügt.

Und sollte das der Fall sein, muss man diesen
Selbstbetrug mit der Selbsterkenntnis entlarven.
Und dabei hilft uns eben das “eins sein” enorm!

Warum?

Ganz einfach, weil wir andere Menschen brauchen, um uns besser reflektieren und verstehen zu können. Das heißt, es braucht nicht nur Selbstreflexion, sondern auch die objektive Reflexion unserer Geschwister, weil “Außenstehende” meist mehr sehen als man selbst. Wenn wir hier und da durch unsere Gedanken, Wünsche und vor allem Gefühle regelrecht verblendet sind, sind sie nüchtern und rational. Damit dann ihre Reflexion aber nicht oberflächlich geschieht, sondern tiefgründig, zielführend und uns wirklich kennend, braucht es eben innige Gemeinschaft. Es braucht wahres “eins sein”!

… 

(Wenn der Abschnitt hier dein Interesse für dieses wichtige Thema geweckt hat, dann empfehlen wir dir (nebst dem nächsten Teil natürlich) die beiden Teile von “Was ist die größte Gefahr im Glauben?“.)