Ermahnung (+ Reife + Selbsterkenntnis)
Die zuletzt behandelten Punkte (mangelnde Selbsterkenntnis, Unreife, Unfrieden und natürlich das dadurch erheblich erschwerte “eins sein”) kommen in einem ganz bestimmten Zusammenhang am häufigsten in einer Gemeinschaft vor. Die Überschrift verrät es: Es ist die Ermahnung.
Oder anders ausgedrückt: Bei mangelnder Selbsterkenntnis kann eine Ermahnung völlig verpuffen. Bei Unreife kann eine Ermahnung zu Streit und somit zu Unfrieden führen. Und mit jeder zunehmenden Ermahnung wird dann das “eins sein” enorm erschwert.
Paulus beschreibt diesen Zusammenhang in seiner Gott gegebenen Weisheit wie folgt:
2Kor 13,11 Im Übrigen, ihr Brüder, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch ermahnen, seid eines Sinnes, haltet Frieden; so wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein!
Man beachte seine einleitenden Worte: “Im Übrigen”. So auf die Art:
Ich habe euch jetzt sehr viel geschrieben (in dem Fall die beiden Briefe an die Korinther mit knapp 30 Kapiteln voller göttlicher Weisheiten) und jetzt – “im Übrigen” – sage ich noch etwas ganz am Ende von allem. Quasi so etwas wie das Endergebnis des Ganzen ist:
Brüder, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch ermahnen, seid eines Sinnes, haltet Frieden; so wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein!
Er bringt die Zurechtbringung und die Ermahnung in einen direkten Zusammenhang mit dem “Frieden halten”. Warum wohl?
Na ja, weil er weiß, dass genau diese Dinge meist zu Unfrieden führen.
Aber was hat das mit dem “sich zu freuen” auf sich? Steht das auch im Zusammenhang mit der Zurechtbringung und Ermahnung? Oder steht es eher unabhängig davon da?
Beides ist möglich. Soll heißen, dass es durchaus sein kann, dass Paulus zu dem “Freut euch” isoliert auffordert (so ähnlich wie in Phi 4,4), es ist aber auch möglich, dass die drei (also freuen, zurechtbringen und ermahnen lassen) zusammenhängen.
Wie?
Ein Beispiel dazu, dass erneut unsere Themen (Selbsterkenntnis, Reife, Frieden und natürlich “eins sein”) mit aufgreift:
Bruder A bemerkt bei Bruder B, dass er etwas tut, um sich selbst darzustellen. Kann sein, dass er sein Wissen zur Schau stellt. Kann sein, dass er ein Kleidungsstück besonders präsentiert. Kann sein, dass er durch dieses oder jenes besonders heilig wirken will oder was auch immer. Sucht es euch selbst aus.
Die Einschätzung von A entspricht der Wahrheit (das ist eine Grundvoraussetzung für eine sinnvolle Ermahnung – logisch). Da Person A Person B sehr gut kennt, weiß er auch, warum sein Bruder das macht, was er macht.
Daher ermahnt er ihn nicht nur, sondern seine brüderliche Fürsorge geht weiter, indem er ihn auf die Wurzel des Ganzen aufmerksam macht. Bruder A weiß also genau, warum Bruder B das macht, was er macht. Es fällt ihm alles andere als leicht, darüber mit ihm zu reden, aber er fasst sich ein Herz und teilt ihm seine Gedanken mit.
Wenn wir nun unsere hier behandelten Themen auf dieses Beispiel anwenden, gibt es zwei gegensätzliche Szenarien, wie Bruder B reagiert.
Kennt B sich selbst nur wenig, ist unreif und versteht die Wichtigkeit der Ermahnung nicht, dann wird es sehr wahrscheinlich zu Unfrieden führen. Dieser Unfrieden kann dann, je nach Fall, dazu führen, dass B sich von A trennt, also das Gegenteil vom “eins sein” tut.
Kennt sich B aber selbst sehr gut, ist reif, handelt reif und kommuniziert reif, dann wird es friedlich bleiben. Aber nicht nur das: Er wird seinem Bruder danken, dass er sich das Herz gefasst hat, ihn darauf anzusprechen. Er wird ihm auch danken, dass er sich so tiefgründige Gedanken über ihn macht und den Nagel auf den Kopf getroffen hat. In kurz: Er wird – so seltsam das auch klingen mag – sich freuen. Sprich er wird das machen, wovon Paulus geschrieben hat: Bruder, freu dich, lass dich zurechtbringen, lass dich ermahnen, sei eines Sinnes, halte Frieden.
Warum soll er das tun?
So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit dir sein!
Man kann also sehen: Ein und dasselbe Szenario, zwei völlig unterschiedliche Ergebnisse: Das eine traurig, zermürbend, trennend, das andere voller Freude, aufbauend und vereinend. Das eine schwer und kompliziert, das andere einfach und unkompliziert. Das eine unnötig und niederschmetternd, das andere nötig und erbauend. Das eine der alte Mensch, das andere der neue Mensch – in Christus. Das eine Fleisch, das andere Geist.
In anderen Worten: Ist eine Ermahnung angebracht und wahr, wird ein fleischlicher Umgang damit eher zur Abwehr, zu Relativierungen oder gar zur Ablehnung dessen führen. Ein Reifer wird damit aber geistlich umgehen und sich freuen, dass er auf etwas aufmerksam gemacht wurde, was er verändern muss. Auch wenn er sich vielleicht nicht sofort freuen wird, wird er aber am Ende mit Gottes Hilfe – wenn die Einsicht und der Wille zur Veränderung da ist – der Ermahnung würdige Frucht bringen und sich dann eben auch freuen.
Hebr 12,11 Alle Züchtigung aber scheint uns für den Augenblick nicht zur Freude, sondern zur Traurigkeit zu dienen; danach aber gibt sie eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind.