Gemeindezucht
Im letzten Teil hatten wir uns angesehen, dass für die Erfüllung der Bitte unseres Herrn “eins zu sein”, es unbedingt die göttliche Ordnung innerhalb einer Gemeinschaft benötigt. Um diese Ordnung zu bewahren und zu beschützen, kommt man um das Thema: “Vors Lager bringen” und “Ausschluss” nicht herum.
Ehe wir uns gleich diese beiden Begriffe genauer anschauen, ist es vorab wichtig, klarzustellen und zu verstehen, dass die sog. “Gemeindezucht” für den einen oder anderen unbarmherzig, gefühlskalt, hart oder gar lieblos wirken mag, aber am Ende nichts anderes als eine göttliche Züchtigungsmaßnahme und ein Ausdruck der Liebe unseres himmlischen Vaters ist, denn …
Hebr 12,6-11 “Denn wen der HERR lieb hat, den züchtigt er, und er schlägt jeden Sohn, den er annimmt.” Wenn ihr Züchtigung erduldet, so behandelt euch Gott ja als Söhne; denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt? Wenn ihr aber ohne Züchtigung seid, an der sie alle Anteil bekommen haben, so seid ihr ja unecht und keine Söhne! Zudem hatten wir ja unsere leiblichen Väter als Erzieher und scheuten uns vor ihnen; sollten wir uns da nicht vielmehr dem Vater der Geister unterwerfen und leben? Denn jene haben uns für wenige Tage gezüchtigt, so wie es ihnen richtig erschien; er aber zu unserem Besten, damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden. Alle Züchtigung aber scheint uns für den Augenblick nicht zur Freude, sondern zur Traurigkeit zu dienen; danach aber gibt sie eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind.
Die Kernaussage der Stelle ist, dass alle Züchtigung (so natürlich auch die Gemeindezucht) zu unserem Besten dient – auch wenn wir das nicht immer erkennen können, denn alle Züchtigung scheint uns für den Augenblick nicht zur Freude, sondern zur Traurigkeit zu dienen …
Offensichtlich freut man sich nicht, denn wer will schon – um bei unserem Thema der Gemeindezucht zu bleiben – jemanden vors Lager bringen oder gar ausschließen? Natürlich niemand. Dennoch sind diese göttlichen Züchtigungsmaßnahmen, wie zu Beginn erwähnt, ein Teil der Heiligen Schrift, weil sie eben auch ein Teil des Gemeindelebens sind. Sie sind leider unumgänglich.
Auch unser Herr lehrte uns dazu etwas:
Mt 18,15-17 Wenn aber dein Bruder an dir gesündigt hat, so geh hin und weise ihn zurecht unter vier Augen. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er aber nicht, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit jede Sache auf der Aussage von zwei oder drei Zeugen beruht. Hört er aber auf diese nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und ein Zöllner.
Hier könnten dieses Mal die Worte (“so sei er für dich wie ein Heide”) für den einen oder anderen hart und lieblos wirken. Aber es ist so, dass seine vermeintlich unbarmherzigen Worte in diesen Versen so etwas wie die Grundlage für unser Thema bilden. Denn unser Meister lehrt uns hier, wie wir quasi “in Etappen” damit umgehen müssen, wenn wir unsere Geschwister sündigen sehen. Auch wenn es bei seiner Aussage im Kern darum geht, dass der eine gegenüber dem anderen sündigt (“dein Bruder an dir gesündigt hat”), bauen seine Worte auf einer Weisung auf, die bereits in der Torah geschrieben steht und demselben Muster folgt.
Die Weisung, um die es geht, ist die des Aussatzes im 3. Buch Mose 13 und 14. Dort kann man, bei genauem Hinsehen, erkennen, dass es sich dabei nicht einfach nur um irgendwelche Hautkrankheiten handelt, sondern dass die dort erwähnten Formen des Aussatzes mit Sünden verbunden sind. Den Beleg dafür lesen wir hier im Kontext der beiden Kapitel:
3Mo 14,19 Und der Priester soll das Sündopfer opfern und Sühnung tun für den, der von seiner Unreinheit zu reinigen ist …
Eine wichtige Anmerkung an dieser Stelle, ehe wir gleich weitermachen:
Es gibt Meinungen, die besagen, dass jede Krankheit eine Sünde als Ursache haben muss. Diese Ansicht ist unbiblisch! Kann Gott dennoch eine Sünde mit einer Krankheit bestrafen? Natürlich kann er das. Auch kann er jemanden krank machen, der gar nicht gesündigt hat, um die Krankheit für etwas anderes zu nutzen. Er kann alles. Aber hier geht es nicht darum, was unser Gott kann und was nicht, sondern eben um die sehr gefährliche und unbedachte Meinung, dass jede Krankheit zwingend eine Sünde als Ursache haben muss.
Dazu ein Beispiel aus dem Alltag: Hat es wirklich etwas mit Sünde zu tun, wenn man vom Regen überrascht und dementsprechend nass wird und sich dann deswegen später erkältet?
Oder wo ist hier die Sünde?
1Tim 5,23 Trinke nicht mehr nur Wasser, sondern gebrauche ein wenig Wein um deines Magens willen und wegen deines häufigen Unwohlseins.
Wenn es Timotheus häufig nicht gut ging und jede Krankheit mit einer Sünde in Verbindung steht, wieso empfahl ihm Paulus dann nicht, sich und sein Leben gründlich nach Sünden zu durchsuchen? Wieso empfiehlt er ihm stattdessen, ein wenig Wein zu trinken?
…
Zurück zum Zusammenhang zwischen Aussatz und der Züchtigung aus Liebe:
Nimmt man zum besseren Verständnis zum Beispiel das Abbild der Familie als Veranschaulichung, wäre die Züchtigungsmaßnahme der Eltern ein Akt der Liebe, damit zum einen das Kind die Tragweite des eigenen Fehlers versteht und zum anderen wäre die Maßnahme eine Art Warnung und Lehre für die anderen Kinder. Ganz genau so ist es auch beim Aussatz und den dazugehörigen göttlichen Maßnahmen: Sie dienen zum Schutz der betroffenen Person und zum Schutz der anderen in der Gemeinschaft. Daher kann man auch bei den verschiedenen Formen des Aussatzes in 3Mo 13 Formulierungen, wie z.B. diese hier lesen: Der Aussatz kann um sich greifen (3Mo 13,7), er kann wuchern, also unkontrolliert wachsen (Vers 10), er kann sich “entzünden” (Vers 24), er kann sich weiter vertiefen (Vers 25) usw.
Interessant bei diesen Formulierungen ist, dass sie “ganz zufällig” auch auf die Sünde und dem “Ausschluss” übertragbar sind. Soll heißen, damit die Sünde nicht um sich greift, sich nicht “entzündet”, nicht unkontrollierte Ausmaße annimmt, nicht andere ansteckt und/oder sich nicht tiefer in die Person eingräbt, soll der Betroffene zur Sicherheit für ihn selbst und zur Sicherheit der Gemeinschaft vors Lager gebracht werden.
Für wie lange?
3Mo 13,4-6 … so soll der Priester den, der das Aussatzübel hat, sieben Tage einschließen. Und besieht es der Priester am siebten Tag, und siehe, das Aussatzübel ist in seinen Augen stehen geblieben, das Übel hat nicht um sich gegriffen, so soll der Priester ihn zum zweiten Mal sieben Tage einschließen. Und besieht es der Priester am siebten Tag zum zweiten Mal, und siehe, das Aussatzübel ist blass geworden, und das Übel hat nicht um sich gegriffen in der Haut, so soll der Priester ihn für rein erklären …
Der Priester kontrolliert also die betroffene Person und prüft nach, wie es mit dem Aussatz nach diesen sieben Tagen aussieht. Hat sich der Aussatz zum Besseren verändert, wird die Person für rein erklärt und darf nach der Darbringung des Sündopfers wieder zurück zur Gemeinschaft.
Inwiefern hilft uns das jetzt bei unserem Thema weiter?
Im Grunde ist es ganz einfach, denn die Weisung in der Torah zeigt uns eine sehr klare Vorgehensweise auf, die wir quasi eins zu eins übernehmen können:
- Jemand sündigt.
- Die Sünde wird offenbar (also sie wird wie der Aussatz sichtbar für andere).
- Die Ältestenschaft prüft das Ganze (so wie der Priester den Aussatz) und entscheidet dann das weitere Vorgehen. Ist ein “vors Lager bringen” wie damals notwendig, bleibt die Person für sieben Tage der Gemeinschaft fern.
- Die Person nutzt dann diese Zeit zum Nachsinnen, Gebet und Buße.
- Nach sieben Tagen redet die Ältestenschaft erneut mit der Person (so wie der Priester die Person und dessen Aussatz ein zweites Mal besieht). Ist Einsicht der Sünde vorhanden und die Buße echt (was im übertragenen Sinne die Darbringung des Sündopfers wäre), darf die Person wieder zurück zur Gemeinschaft.
- Haben die sieben Tage nicht die erwünschte Einsicht gebracht, wird die Dauer gemäß der Torah um eine weitere Woche verlängert und dann wird erneut geprüft.
Dieser gesamte Vorgang macht natürlich nur dann Sinn, wenn die betroffene Person überhaupt zur Einsicht bereit ist und willig ist, Buße zu tun. Wird die Sünde aber überhaupt nicht als solche wahrgenommen und die betroffene Person verschließt sich dagegen, dann benötigt es diese Vorgehensweise natürlich nicht. In dem Fall schließt sich die Person quasi selbst aus.
Gilt der Ausschluss eigentlich für immer?
Nein, sondern …
3Mo 13,46 Alle Tage, da das Übel an ihm ist, soll er unrein sein; er ist unrein: Allein soll er wohnen, außerhalb des Lagers soll seine Wohnung sein.
Das heißt: Alle Tage, die die Person in der Sünde verharrt und nicht Buße tut, ist sie “vor dem Lager” bzw. “ausgeschlossen”. Zeigt sie aber Einsicht, tut Buße und kehrt von der Sünde um, dann darf der Bruder oder die Schwester natürlich wieder zurück zur Gemeinschaft.
(Anm.: Im Folgenden werden wir der Einfachheit halber oft nur “die ausgeschlossene Person” sagen, anstatt die umständliche Formulierung zu nutzen: “Die Person, die vor das Lager gebracht wurde”. Der Zusammenhang der jeweiligen Stellen gibt von alleine Aufschluss darüber, ob jetzt wirklich eine final “ausgeschlossene” oder “vors Lager gebrachte” Person gemeint ist.)
