Trennung

Der Opfer-Täter-Tausch

In der Heiligen Schrift ist der Vorgang des Ausschlusses klar und unmissverständlich. Jedoch sieht so ein Ausschluss in der Praxis ganz anders aus, denn oft kommt es zu Missverständnissen, Unklarheiten und Problemen.

Warum?

Das hat viele Gründe, allen voran weil ein Ausschluss logischerweise immer unangenehm ist – für alle Geschwister, am meisten natürlich für die betroffene Person selbst. Denn sie wird ja quasi “vor allen bloßgestellt”. Dieses Bloßstellen ist von unserem himmlischen Vater aber ganz bewusst gewollt: Die betroffene Person soll also eine gewisse Art von Scham empfinden.

Man stelle sich zu dieser gottgewollten Scham kurz die Situation mit Mirjam vor: Das ganze Volk war in der Wüste versammelt und vereint, aber ihr Zelt war abseits und allein außerhalb des Lagers. Was wird sie sich dabei gedacht haben? Wie muss sie sich gefühlt haben? Sehr wahrscheinlich hat sie sich in Grund und Boden geschämt.

Daher wäre im Zusammenhang von Ausschlüssen die folgende Frage immer mehr als verständlich: Wieso so eine bloßstellende und beschämende Maßnahme? Möchte unser Gott der Liebe seinen Kindern wirklich so etwas antun?

4Mo 12,14 Da sprach der HERR zu Mose: Wenn ihr Vater ihr ins Angesicht gespuckt hätte, müsste sie sich nicht sieben Tage lang schämen? Sie soll sieben Tage lang außerhalb des Lagers eingeschlossen werden … 

Das Schamgefühl ist also ein zentraler Bestandteil
dieser göttlichen Züchtigungsmaßnahme.
Sünde soll und darf zur Scham führen.

(Man vergleiche hierzu auch die Ereignisse im Garten Eden, wo uns dieser Zusammenhang direkt zu Beginn gezeigt wird.)

Ein weiterer Grund für die göttliche Züchtigungsmaßnahme des Ausschlusses ist, dass während dieser Zeit die betroffene Person über ihre Sünde nachdenken soll. 

Welche Frucht dieses Nachsinnen am Ende bringt, zeigt sich dann nach den sieben Tagen “vor dem Lager”. Denn während den verschiedenen Phasen des Ausschlusses offenbart sich, quasi von ganz allein, ob sich das Herz der betroffenen Person durch die göttliche Maßnahme erweichen lässt oder eher noch mehr verhärtet.
Das heißt: Ist zum Beispiel der eigene (verletzte) Stolz größer als das Erkennen des Ausmaßes der eigenen Sünde, verhärtet sich das Herz, indem sich die Person zum Beispiel sagt, dass die Gemeinschaft einem sowieso nicht so wichtig war; oder dass alle die ganze Situation eh falsch sehen und nur man selbst richtig liegt. Stehen diese und ähnliche Gedanken im Vordergrund, dann ist Buße und Umkehr nur schwer möglich.

Aber führt das “vors Lager bringen” dazu,
dass man in sich geht,
die Tragweite der Sünde und die Trennung von Gott versteht,
dann erfolgt Buße.

Falls jemand hier die Frage hat, inwiefern man sich bei einem Ausschluss nicht nur von der Gemeinschaft, sondern auch von Gott trennt:

Jes 59,2 Eure Missetaten trennen euch von eurem Gott, und eure Sünden verbergen sein Angesicht vor euch, dass er nicht hört!

Diese Tatsache, also die Trennung von Gott durch Sünde, ist die mit größte Herausforderung während des Ausschlusses – nicht nur für die betroffene Person, sondern auch hin und wieder für Teile der Gemeinschaft. Damit ist gemeint, dass es leider immer wieder mal vorkommt, dass sowohl die einzelne Person als auch einige Geschwister die Tragweite der Sünde unbewusst verharmlosen und daher das Ausmaß des ganzen Prozesses nicht voll und ganz verstehen. Was in diesem Zusammenhang auch oft passiert, ist, dass die betroffene Person “Erklärungen” für das eigene Fehlverhalten findet und so die Tragweite der Sünde abschwächt bzw. relativiert.

Warum diese und ähnliche Dinge geschehen, hat viele Gründe. Aber der vordergründigste ist erst einmal derjenige, dass sich der Sauerteig der Verharmlosung der Sünde immer weiter verbreitet. Diese Verharmlosung führt dann oft zu dem, was wir vorher hatten: Die Gedanken, dass das alles “viel zu hart, unbarmherzig und lieblos” sei.

Sind diese und ähnliche Gedanken vorhanden, geschieht oft ein ungesunder Perspektivwechsel. Damit ist gemeint, dass nicht mehr die verheerenden Konsequenzen der Sünde im Zentrum stehen, sondern mehr die beschämte Person, die ausgeschlossen wurde. In anderen Worten:

Aus dem Täter, der gegen Gott sündigt,
wird ein Opfer,
das man irgendwie beschützen und verteidigen muss.

Der Wunsch zu beschützen ist natürlich erst einmal gut (!), weil man ja dem Bruder oder der Schwester helfen will. Aber wenn man ihm oder ihr wahrhaftig und Gott wohlgefällig helfen will, (und das ist sehr, sehr wichtig zu verstehen!) macht man das nicht, indem man quasi falsch “Partei ergreift”, die Sünde und die Trennung von Gott verharmlost und nur noch die beschämte Person vor Augen hat, sondern man hilft vor allem dadurch, indem man selbst die Tragweite der Sünde versteht und gehorsam gegenüber Gottes Weisung hinsichtlich des Ausschlusses ist; und natürlich: indem man Fürbitte tut.