Wir beginnen mit den ersten Versen dieser Portion: Die schöne Frau.
5Mo 21,11-14 und du siehst unter den Gefangenen eine Frau, schön von Gestalt, und hast Zuneigung zu ihr und nimmst sie dir zur Frau, so sollst du sie in das Innere deines Hauses führen; und sie soll ihr Haupt scheren und ihre Nägel beschneiden und die Kleider ihrer Gefangenschaft von sich ablegen; und sie soll in deinem Haus bleiben und ihren Vater und ihre Mutter einen Monat lang beweinen; und danach magst du zu ihr eingehen und sie heiraten, dass sie deine Frau sei. Und es soll geschehen, wenn du kein Gefallen an ihr hast, so sollst du sie nach ihrem Wunsch entlassen; aber du darfst sie keineswegs für Geld verkaufen; du sollst sie nicht als Sklavin behandeln, weil du sie entehrt hast. [CSV]
Direkt zu unseren Fragen: Ist der Text buchstäblich gemeint oder redet er in einer Bildersprache zu uns? Offensichtlich handelt es sich hier um eine wortwörtliche Weisung.
Als Gegensatz dazu ein kurzes Beispiel zu einem bildhaften Gebot, welches wir erst neulich hatten:
5Mo 11,18 Und ihr sollt diese meine Worte auf euer Herz und auf eure Seele legen und sie zum Zeichen auf eure Hand binden, und sie sollen zu Stirnbändern zwischen euren Augen sein. [CSV]
Ohne ins Detail zu gehen, kann man für sich selbst die Frage beantworten: Wenn man sich buchstäblich und wortwörtlich die Worte Gottes zum Zeichen auf die Hand bindet und sich ein Stirnband zwischen den Augen macht, wie legt man dann seine Worte ebenso buchstäblich und wortwörtlich auf’s Herz? Durch eine Operation?
Wir wollen das hier keineswegs ins Lächerliche ziehen, sondern aufzeigen, dass die Heilige Schrift manchmal Bilder benutzt, um etwas anschaulicher und eindringlicher zu verdeutlichen. Um bei dem Beispiel des Herzens zu bleiben: Auch wir benutzen heute ähnliche Redewendungen bzw. Bilder, um z.B. unseren Schmerz deutlicher zu machen. Wir würden da vielleicht sagen: “Es tut mir tief in meinem Herzen weh.”; jeder wüsste sofort, dass man jetzt keine Herz-OP benötigt, sondern dass der Schmerz sehr, sehr groß ist.
Nun ist es so, dass manchmal diese bildhafte Sprache offensichtlich ist und manchmal nicht. Daher wendet z.B. Bruder Juda 5Mo 11,18 so an, dass sie sich wortwörtlich etwas an ihre Hand und zwischen ihre Augen (auf ihre Stirn) binden.
Ein weiteres kleines Beispiel, welches wir schon einmal hatten:
1Mo 20,16 Aber zu Sarah sprach er: Siehe, ich habe deinem Bruder 1.000 Silberlinge gegeben; siehe, das soll dir eine Decke der Augen sein für alle, die um dich sind, damit du in jeder Weise gerechtfertigt bist! [SLT]
Natürlich ist hier nicht gemeint, dass wortwörtlich diese 1.000 Silberlinge als Decke auf die Augen gelegt werden sollen, sondern es ist damit gemeint, wie es z.B. die Elberfelder Übersetzung an dieser Stelle anmerkt, dass diese Redewendung eigentlich eine “Genugtuung” verdeutlichen soll; d.h. das Geld soll als Wiedergutmachung dienen.
Diese Beispiele sollen an dieser Stelle genügen, denn man erkennt sicherlich schnell und klar den Unterschied zwischen wortwörtlich, wie bei 5Mo 21 und der schönen Frau und den Worten Gottes, die man sich laut 5Mo 11 auf’s Herz und den Silberlingen, die man sich laut 1Mo 20 auf die Augen legen soll. Da aber in den allermeisten Fällen die Gebote wortwörtlich gemeint sind, sei dies hier am Rande als Veranschaulichung ausreichend.
Also zurück zur nächsten Frage: “Hat das Gebot bzgl. der schönen Gefangenen eine weitreichendere, übertragbare Anwendung auf andere Bereiche in unserem Leben?”
Ganz gewiss hat es das! Denn wenn man sich den Ablauf genauer ansieht, wird einem klar, worum es unserem Schöpfer bei diesem Gebot geht:
1. Um den Schutz der Frau. Sie darf nicht als Sklavin behandelt werden.
2. Wieder um den Schutz der Frau. Dieses Mal damit der Mann sie nicht irgendwie nur wegen ihrer Schönheit haben will und sie als seine “Gefährtin auf Zeit” (be)nutzt. Sie soll sich daher ihr Haupt scheren, sodass sie (wenn man das so sagen darf) ihrer Schönheit beraubt wird. Will der Mann sie danach immer noch, so darf er sie als Frau nehmen.
3. Aber erst nach einem vollen Monat.
In anderen Worten könnte man auch sagen: Alles, was der Mann vielleicht aus dem Fleisch und seiner Fleischeslust heraus tun könnte, wird abgewehrt oder zumindest stark abgeschwächt. Wie? Einmal durch das Scheren des Hauptes der Frau und einmal durch das Warten. Man könnte fast sagen: Gott gebietet dem männlichen Trieb Einhalt und prüft gleichzeitig die Ernsthaftigkeit des heiratswilligen Mannes. Denn keineswegs soll er aus einer Kurzschluss-Reaktion heraus einen heiligen und ewig währenden Ehebund mit ihr schließen.
Wenn man sich diese Punkte vor Augen führt, fällt es einem nicht schwer, darin ein göttliches Prinzip zu erkennen: Denn auch bei einem, sagen wir mal, “normalen Kennenlernen” zwischen Mann und Frau sollten keine Kurzschluss-Reaktionen die Entscheidung beeinflussen. Man sollte sich seinen Schritt wohl und lange genug überlegen. Und dabei sollten Äußerlichkeiten nicht die tragende Rolle spielen. Denn unserem heiligen Gott ist die Ehe heilig. Er hasst Ehescheidung:
Mal 2,16 Denn ich hasse die Ehescheidung, spricht der HERR, der Gott Israels … [SLT]
Und ein Schutz vor einer überhasteten Entscheidung zur Ehe ist eben dieses Gebot bzgl. der schönen Gefangenen. Versteht man dieses Gebot also nicht nur dem Buchstaben nach, sondern auch als göttliche Weisung, dann findet diese Weisung auch heute noch einen großen Einsatzbereich in unserem Leben.
Gleich zum nächsten Beispiel aus dieser Portion: Der Mann mit den zwei Frauen (obwohl es ursprünglich ja so gedacht war, dass man nur eine Ehefrau haben sollte).
5Mo 21,15-17 Wenn ein Mann zwei Frauen hat, eine geliebte und eine gehasste, und sie gebären ihm Söhne, die geliebte und die gehasste, und der erstgeborene Sohn ist von der gehassten, so soll es geschehen, an dem Tag, da er seine Söhne erben lässt, was sein ist: Er kann nicht den Sohn der geliebten zum Erstgeborenen machen vor dem Sohn der gehassten, dem Erstgeborenen; sondern den Erstgeborenen, den Sohn der gehassten, soll er anerkennen, dass er ihm zwei Teile gebe von allem, was in seinem Besitz gefunden wird; denn er ist der Erstling seiner Kraft, ihm gehört das Recht der Erstgeburt. [CSV]
Bei diesen drei Versen werden wir den Spieß umdrehen und einen Vers aus der vorherigen Portion lesen, der diese Passage eigentlich schon vorab als göttliche Weisung geklärt hatte. Wir werden gleich sehen, was damit gemeint ist. Zuerst der Vers:
5Mo 16,19 Du sollst das Recht nicht beugen. Du sollst die Person nicht ansehen … [CSV]
Der Zusammenhang dieser Stelle in 5Mo 16 ist der Urteilsspruch bei Gericht. Dort soll es kein Ansehen der Person geben, denn ein Ansehen der Person ist ungerecht. Und Ungerechtigkeit hasst unser vollkommen gerechte Gott. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es auch bei ihm kein Ansehen der Person gibt:
5Mo 10,17 Denn der HERR, euer Gott, er ist der Gott der Götter und der Herr der Herren, der große, mächtige und furchtbare Gott der keine Person ansieht … [CSV]
Nun zurück zu der Ehe mit den zwei Frauen: Hat man dieses Verbot des Ansehens der Person verinnerlicht, wird man logischerweise auch in der Ehe, wenn man zwei Frauen geheiratet hat, dieser göttlichen Weisung folgen und nicht das Recht (in dem Fall das des Erstgeburtsrechts) beugen, indem man die Person ansieht, d.h. die “Lieblingsfrau” der anderen vorzieht.
Das nächste Beispiel: Das verlorene Rind.
5Mo 22,1-2 Du sollst nicht das Rind deines Bruders oder sein Kleinvieh irregehen sehen und dich ihnen entziehen; du sollst sie deinem Bruder jedenfalls zurückbringen. Wenn aber dein Bruder nicht nahe bei dir ist oder du ihn nicht kennst, so sollst du sie in dein Haus aufnehmen, dass sie bei dir seien, bis dein Bruder sie sucht; dann gib sie ihm zurück. [CSV]
Anhand dieser Verse kann man vor allem zwei Dinge lernen:
1. Natürlich gilt dasselbe Gebot auch für das Pferd oder den Esel meines Bruders. Man sollte also nicht meinen: “Der heilige Text sagt eindeutig ‘Rind oder Kleinvieh’ und z.B. nicht Zuchthengst. Daher werde ich den davongelaufenen Hengst meines Bruders behalten, weil wir sollen ja dem Wort Gottes nichts hinzufügen.”
Letzteres ist absolut richtig: Wir wollen, sollen und dürfen dem Wort nichts hinzufügen oder davon wegnehmen (5Mo 4,2). Aber gleichzeitig ist es offensichtlich, dass hier im Beispiel der Aussage mit dem Zuchthengst Herzenshärte vorliegt und derjenige das Pferd einfach nur für sich selbst behalten will.
Das zweite, was wir lernen können, ist das Lesen im Zusammenhang. Denn ein Vers nach dem Rind und Kleinvieh steht hinsichtlich des Zurückgebens geschrieben: “Ebenso sollst du mit allem Verlorenen deines Bruders tun.”
Aber was wäre, wenn das nicht dastehen würde. Dürfte man dann den Zuchthengst behalten? Denn durchaus gibt es ja auch andere Stellen, bei denen nichts von “allem Verlorenen” steht, wie z.B. hier:
2Mo 23,4 Wenn du den Ochsen deines Feindes oder seinen Esel umherirrend antriffst, sollst du ihn diesem jedenfalls zurückbringen. [CSV]
Also darf man wenigstens hier, weil hier ja nichts von anderen Tieren und dergleichen steht, den Zuchthengst des Feindes behalten? Darf man auch seine Geldbörse behalten?
Offensichtlich nicht, denn es ist klar, dass das nur beispielhafte Erwähnungen sind. Wenn sich aber einer an diesen Beispielen “aufhängen” will, dann soll er das tun. Es offenbart nur sein Herz und dieses Herz zeigt (v.a. dann, wenn man die Person bereits darauf hingewiesen hat), dass da im Herzen das heilige Gesetz nicht oder noch nicht lebendig geworden ist:
Hebr 8,10 Denn dies ist der Bund, den ich dem Haus Israel errichten werde nach jenen Tagen, spricht der HERR: Indem ich meine Gesetze in ihren Sinn gebe, werde ich sie auch auf ihre Herzen schreiben; und ich werde ihnen zum Gott und sie werden mir zum Volk sein. [CSV]
Noch kurz eine weitere Kleinigkeit, die wir aus dem zweiten Vers dieses Kapitels lernen dürfen. Noch einmal das Gebot:
5Mo 22,2 Wenn aber dein Bruder nicht nahe bei dir ist oder du ihn nicht kennst, so sollst du sie in dein Haus aufnehmen, dass sie bei dir seien, bis dein Bruder sie sucht; dann gib sie ihm zurück. [CSV]
Nehmen wir an, dass man in einem Dorf mit überschaubarer Größe wohnt. Beim Spazierengehen findet man eine Tasche, in der sich, nebst vielen Dingen, auch lose Geldscheine befinden. Sagen wir mal 100 Euro. Was macht man jetzt, da man ja nicht weiß, wem die Tasche gehört? Gebe ich das Geld jetzt sofort aus oder warte ich, da ich davon ausgehen kann, dass die Tasche gesucht werden wird? Oder kaufe ich mir das Bibellexikon, welches ich mir schon seit längerem zulegen wollte, aber nie das Geld dafür übrig hatte? Spricht vielleicht sogar Gott zu mir und gibt mir dieses Zeichen, indem er mich die Tasche hat finden lassen?
Ehe die Gedanken in solche Richtungen gehen und man vielleicht auf diese Weise seinem trügerischen Herzen Raum gibt, sollte man, anstatt zu überlegen, was und wie vermeintlich Gott zu einem spricht, erst einmal an das denken, was er bereits gesprochen hat. Und das war und ist: “Was verloren wurde, erst einmal ins Haus aufnehmen und warten, bis das Verlorene gesucht wird.” – so lauten die klaren Worte Gottes. Ganz ohne Zeichen. Ganz ohne trügerisches Herz.
An dieser Stelle kurz eine wichtige Anmerkung und gleichzeitig Warnung:
Wir müssen bei der Umsetzung dieser biblischen Prinzipien sehr, sehr vorsichtig sein und unsere Schlussfolgerungen nicht anderen als unser persönliches Gesetz einprügeln, wie es manche leider tun. Nicht jeder Bruder, nicht jede Schwester versteht die weitreichende göttliche Weisung hinter einem jeden einzelnen Gebot auf dieselbe Weise. Es benötigt Zeit, es benötigt Lehre, es benötigt Austausch, es benötigt gesundes Wachstum in Wort und Geist und vieles mehr, ehe wir zu der Reife gelangen, die Gott in uns sehen möchte. Daher gilt es für uns alle, miteinander geduldig und verständnisvoll umzugehen, denn jeder von uns schreitet auf seinem individuellen Weg der Heiligung mit und durch Gott. Und meist befinden wir uns dabei an ganz unterschiedlichen Punkten mit ganz, ganz unterschiedlichen Vergangenheiten, Prägungen, Ansichten und dergleichen.
Ein gutes Beispiel, wie rücksichtsvoll wir miteinander umgehen sollten, geben uns die Apostel vor. Im berühmten 15. Kapitel der Apostelgeschichte – dem Jerusalemer Konzil – entscheiden sie sowohl für die Gläubigen damals als auch für uns heute:
Vier Dinge müssen wir sofort unterlassen und den Rest lernen wir – die wir ein Leben lang ohne Gesetz, ohne göttliche Weisung gelebt haben – nach und nach; denn es steht geschrieben:
Apg 15,19-21 Darum urteile ich, dass man denjenigen aus den Heiden, die sich zu Gott bekehren, keine Lasten auflegen soll, sondern ihnen nur schreiben soll, sich von der Verunreinigung durch die Götzen, von der Unzucht, vom Erstickten und vom Blut zu enthalten. Denn Mose hat von alten Zeiten her in jeder Stadt solche, die ihn verkündigen, da er in den Synagogen an jedem Sabbat vorgelesen wird. [SLT]
In anderen Worten: Diese vier hier genannten Dinge sind sofort von uns zu unterlassen und den Rest lernen wir aus dem Gesetz, denn dieses wird Woche für Woche gemeinsam gelesen (natürlich können wir für uns daheim auch gerne Tag für Tag darin lesen – und darüber sinnen):
Jos 1,7-8 Sei du nur stark und sehr mutig, und achte darauf, dass du nach dem ganzen Gesetz handelst, das dir mein Knecht Mose befohlen hat. Weiche nicht davon ab, weder zur Rechten noch zur Linken, damit du weise handelst überall, wo du hingehst! Lass dieses Buch des Gesetzes nicht von deinem Mund weichen, sondern forsche darin Tag und Nacht, damit du darauf achtest, alles zu befolgen, was darin geschrieben steht; denn dann wirst du Gelingen haben auf deinen Wegen, und dann wirst du weise handeln! [SLT]
Abschließende Anmerkung:
Wie es diese Worte hier in Josua klar aufzeigen, soll man forschen. Aber das Forschen hat ein Ziel, nämlich alles Erforschte bzw. einem von Gott Aufgezeigte soll man auch befolgen und danach handeln. Das heißt für die Beispiele von zuvor: keine Kurzschluss-Reaktionen bei der Ehe, kein Ansehen der Person, kein Ausgeben von Geld, das man vielleicht noch zurückgeben kann usw.
In kurz: Wenn all das Sinnen und Lernen nicht zum Tun führt, hat das in den Augen unseres himmlischen Vaters keinen Wert:
Mt 7,21 Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut. [SLT]