Bergpredigt

Das nächste Kapitel im Gesamtzusammenhang – Mt 7,1-6
Ein weiterer unserer nicht allzu göttlichen Wesenszüge ist, auf andere mit dem Finger zu zeigen. Die Lehre unseres Meisters geht in diesen Versen weiter und ist erneut fundamental, radikal und im höchsten Maße anspruchsvoll für uns alle, denn es ist ausgeschlossen, dass einer von uns ohne “Balken im Auge” herumläuft. Aber dennoch tendiert unser Herz dazu, unseren Balken bewusst oder unbewusst zu übersehen, um ganz genau “den Splitter im Auge unseres Bruders zu ziehen” (Verse 3-5). Suchen wir dennoch – trotz unserem eigenen Balken – den Splitter des anderen, müssen wir davon ausgehen, dass wir mit dem gleichen, haargenauen Maß gerichtet werden, wie wir andere richten (Vers 2).

Dann folgt Vers 6: Wie steht diese Aussage nun im Zusammenhang zu den Versen 1-5?
Folgende Passage (in diesem Fall aus den Sprüchen, die unser Herr übrigens sehr häufig direkt oder indirekt in seinen Lehren erwähnt) gibt Klarheit darüber was im Zusammenhang gemeint ist:

Spr 9,7-8 Wer einen Spötter züchtigt, holt sich Beschimpfung, und wer einen Gesetzlosen zurechtweist, der holt sich Schmach. Weise nicht den Spötter zurecht, damit er dich nicht hasst; weise den Weisen zurecht, und er wird dich lieben! [SLT]

Eine Zurechtweisung unter Brüdern sollte etwas völlig Normales sein, aber leider führt es häufig zu Streit, u.a. weil der Ermahnende falsch und aus seinem Ego heraus ermahnt und der Ermahnte häufig sich in seinem Ego verletzt fühlt. Also selbst wenn das brüderliche Richten bzw. Ermahnen im Sinne Gottes erfolgt (zu dem wir mehrfach aufgefordert werden; siehe z.B. Joh 7,24, 1Kor 5,12, 1Kor 13,11 usw.), heißt das noch lange nicht, dass alles reibungslos abläuft. Denn wollen wir nicht auf göttliche Ermahnung durch andere hören, sollen wir auch nicht mehr ermahnt werden; so wie z.B. in dem eben gelesenen Spruch. Dies ist also der Zusammenhang der Aussage aus den Versen 1-5 zu der aus Vers 6.

An einer anderen Stelle bestätigt der Herr dieses Verständnis:

Mt 18,15-17 Wenn aber dein Bruder an dir gesündigt hat, so geh hin und weise ihn zurecht unter vier Augen. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er aber nicht, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit jede Sache auf der Aussage von zwei oder drei Zeugen beruht. Hört er aber auf diese nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und ein Zöllner. [SLT]

Mt 7,7-11
Unser Meister nähert sich dem Ende seiner Lehre und ermutigt uns zum Abschluss hin, dass wir für all diese für Menschen unmöglichen Dinge (und mehr) suchen, anklopfen und bitten sollen. So wie in Mt 6,6 und Mt 6,9 auch, lehrt er uns an wen wir unsere Gebete richten sollen und von wem wir empfangen werden. Denn wenn schon irdische Väter ihren Kindern gute Gaben zu geben verstehen, wie viel mehr wird dann unser Vater im Himmel uns Gutes geben, wenn wir ihn bitten (Vers 11). Er lehrt uns also – parallel zu seiner Lehre aus Mt 6,19-34 – unumstößliches Vertrauen zu unserem himmlischen Vater.

Mt 7,12-27
Das Ende seiner Lehre ist eigentlich keine Lehre mehr, sondern vielmehr eine unter die Haut gehende Warnung an uns alle, die wir seine Worte in diesen drei Kapiteln gehört haben. Es geht unserem Herrn abschließend darum, dass wir die von ihm gelehrten Worte auch tun (s. Verse 12 und 24) und Frucht bringen (Vers 17). Sollten wir uns verführen lassen (Vers 15) und diese Worte nicht tun (Vers 26), dann folgen grausame Konsequenzen, wie z.B.:

  • Mt 7,13 Geht ein durch die enge Pforte! Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der ins Verderben führt; und viele sind es, die da hineingehen. [SLT]
  • Mt 7,19 Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. [SLT]
  • Mt 7,21-23 Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut. Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt und in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und in deinem Namen viele Wundertaten vollbracht? Und dann werde ich ihnen bezeugen: Ich habe euch nie gekannt; weicht von mir, ihr Gesetzlosen! [SLT]

Zum letzten Wort “Gesetzlose” erneut die Anmerkung, die wir bereits vorher getroffen hatten und hier noch einmal schärfer unterstreichen wollen: Nur weil jetzt jemand die Gebote aus dem Gesetz befolgt, heißt das noch lange nicht, dass es ausgeschlossen ist, dass der Herr diese Worte zu uns spricht. Wer das glaubt, lebt in einem Trugschluss. Unserem Erlöser geht es, wie wir hier hoffentlich aufzeigen konnten, um wesentlich mehr als nur um das Halten des Buchstabens. Denn das Halten der Gebote ist selbstverständlich, aber ihm geht es vielmehr um die Erfüllung des Gesetzes und seiner vom Vater empfangenen Lehre, die uns lehren soll, wozu das Gesetz Gottes von Anfang an gedacht war.

Zurück zu seinen wachrüttelnden Warnungen in diesen Versen:

So wie wir seine Lehre aus all den Versen zuvor ernst nehmen sollten, sollten wir selbstverständlich auch seine abschließenden Warnungen ernst nehmen; denn die Anforderungen, die der Herr an uns stellt, sind hoch und nur wenige werden den Weg finden (Vers 14).

Wir alle sollten diesen letzten Abschnitt der sog. Bergpredigt nicht unter den Tisch kehren, sondern als den finalen Abschluss seiner Lehre verinnerlichen und uns ernsthaft an diesen Worten aus den Versen 12-27 messen:

  • Liebe ich meinen Nächsten wie mich selbst? (Vers 12)
  • Bin ich auf dem schmalen Weg, den nur wenige finden? (Verse 13-14)
  • Erkenne ich falsche Propheten? (Verse 15-20)
  • Tue ich den Willen meines Vaters unabhängig von irgendwelchen Wundern, die ich vielleicht vollbringe? (Verse 21-23)
  • Bleibe ich auch bei Problemen, Anfeindungen, Drangsalen und dergleichen dem Glauben treu? (Vers 25 und somit eine Verbindung zurück zu den sog. “Seligpreisungen” der Verfolgten aus Mt 5,10-16).
  • Und: Befolge ich die Lehre meines Herrn durch Taten? (Verse 24-27)