Ende oder Ziel:
Dass, wie bereits gesehen, Röm 10,4 nebst “Ende” auch “Ziel” bedeuteten kann, zeigten uns zahlreiche Übersetzungen. Aber nicht Übersetzungen sind entscheidend, sondern der uns überlieferte Text. Dort steht für “Ziel” das alt-griechische Wort “telos”.
Eine andere Stelle, bei dem dasselbe Wort “telos” benutzt wird:
1Tim 1,5 Das Endziel [gr. “telos”] des Gebotes aber ist Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben. [SLT]
Wäre also durch Röm 10,4 das Gesetz beendet und abgeschafft, wäre auch laut 1Tim 1,5 das Gebot der Liebe aus reinem Herzen abgeschafft. Niemand würde bei 1Tim 1,5 auf diese absurde Idee kommen. Warum man also bei 1Tim 1,5 es klar als “Ziel” betrachtet und bei Röm 10,4 klar als das “Ende”, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Es gibt eine weitere Stelle mit einer ähnlichen Auslegung, bei der ein einzelnes Wort für manche das “Ende” für andere das “Ziel des Gesetzes” wiedergibt:
Mt 5,17 Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen sei, um das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen, um aufzulösen, sondern um zu erfüllen! [SLT]
Dieses Wort “erfüllen” [griechisch: pleroo] wird ähnlich wie das “Ziel bzw. Ende” [griechisch: telos] so verstanden, dass dadurch das Gesetz erfüllt und abgeschafft wurde.
Das “Erweiterte Strongs Lexikon” schreibt zu diesem Wort “erfüllen” [griechisch: pleroo] folgendes:
“voll machen, auffüllen, bis zum Rand füllen, fertig machen, vollenden, vervollständigen, erfüllen”.
Alle diese Wörter stehen im totalen Gegensatz zu dem Verständnis von “erfüllen” im Sinne von “abschaffen, auflösen, beenden”. Vielmehr unterstreichen sie die Worte aus Röm 10,4: “Das Ziel des Gesetzes ist Christus“, denn:
Durch ihn wird das Gesetz voll gemacht, aufgefüllt, bis zum Rand gefüllt, fertig gemacht, vollendet, vervollständigt, erfüllt und zum Ziel gebracht.
Beides, sowohl das “pleroo” als auch das “telos” beschreiben also vielmehr ein Ziel des Gesetzes, das durch unseren Herrn erfüllt wurde:
Nämlich der ganzen Menschheit vorzuleben und eine Anleitung zu geben, was es bedeutet, das Gesetz – wie es Gott wohlgefällig ist – zu leben und so zum Ziel zu bringen; oder wie es unser Herr gesagt hat: zu erfüllen.
Durch Christus erachten wir das Gesetz also nicht als abgeschafft, sondern wir bringen es durch ihn erst richtig zur Geltung. Erst mit diesem Verständnis macht die Aussage Paulus Sinn:
Röm 3,31 Setzen wir nun dadurch, dass wir alles vom Glauben abhängig machen, das Gesetz außer Kraft? Keineswegs! Das Gegenteil ist der Fall: Wir bringen das Gesetz dadurch erst richtig zur Geltung. [NGÜ]
Durch den Glauben wird also keineswegs das Gesetz außer Kraft gesetzt, sondern dadurch wird das Gesetz erst richtig zur Geltung gebracht. Wie?
Indem wir so leben wie unser Herr gelebt hat; d.h. wir folgen ihm nach, weil er uns das Ziel des Gesetzes vorgelebt hat. Nun sind wir – laut dem Wort Gottes – dazu verpflichtet, es ihm nachzuahmen:
1Joh 2,6 Wer also behauptet, mit Christus verbunden zu sein, ist verpflichtet auch so zu leben wie Christus gelebt hat. [NEÜ]
Gott hat uns versprochen, dass er uns beim Folgen seines Sohnes durch seinen Geist helfen wird, sodass auch wir das Ziel des Gesetzes in und durch Christus verstehen und leben.
Unser Herr ist nicht gekommen, um das Gesetz einmal für uns zu halten und wir leben dann ohne Gesetz weiter. Nein, sondern durch Buße und Glauben folgen wir ihm nach, kreuzigen täglich unsere sündige Natur (Lk 9,23) und versuchen ebenfalls durch Gottes Geist in uns, das Gesetz zu erfüllen, denn der Allmächtige verspricht uns:
Hes 36,27 Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt. [EÜ]
Denn:
Röm 8,4 Als Folge davon kann jetzt die Forderung des Gesetzes von uns erfüllt [gr. “pleroo”] werden, so gewiss unser Leben nicht mehr von unserer selbstsüchtigen Natur bestimmt wird, sondern vom Geist Gottes. [GNB]
Was ist Röm 10,4 (+ Mt 5,17) für dich:
Ende und abschaffen oder Ziel (telos) und erfüllen (pleroo)?
V1.6b
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