Friede und Versöhnung
Spr 12,18 Wer unbedacht schwatzt, der verletzt wie ein durchbohrendes Schwert; die Zunge der Weisen aber ist heilsam. [SLT]
Kennt man ein Szenario wie das in dieser Portion geschilderte zwischen Jakob und Esau aus seinem eigenen Leben? Eigentlich liebt man den anderen, aber Gefühle wie Unverständnis, Bitterkeit, innere Verletztheit, Wut und dergleichen überdecken diese innige Verbindung der beiden Menschen zueinander. Leider.
Wenn aber diese Verletzung im Herzen nicht gerade unfassbar schwer und tief sitzt, kann es häufig der Fall sein, dass nur ein einziger Moment – wie bei Jakob und Esau auch – diese Distanz, die sich aufgebaut hat, wieder abbauen kann. Nur ein Wort, eine Geste, ein Moment der Versöhnung und man kann sich wieder einander annähern oder sogar einiges ungeschehen werden lassen – je nachdem wie nachtragend man ist oder nicht. Meist ist es leider nur so, dass keiner diesen ersten Schritt der Versöhnung macht.
Wir kennen unzählige Beispiele aus unserem Leben und dem Leben von Freunden und Familie, die sich in einer solchen Situation befanden oder immer noch befinden. Aktuell würden wir sagen, dass einige brüderliche Beziehungen mit nur einem solchen versöhnlichen Moment wiederhergestellt werden könnten. Denn wenn Menschen ohne Glauben das schon schaffen, wie viel mehr sollten das dann die Kinder Gottes hinbekommen? Auch hier ist es aber leider so, dass gerade unter Geschwistern dies eine nahezu unüberwindbare Barriere darstellt. Warum?
Die Antwort würde völlig den Rahmen sprengen. Was wir aber anstatt der Suche nach dem “Warum” tun können, ist uns ans Jakob ein Beispiel nehmen.
Auch wenn seine grundsätzliche Motivation mit der Angst zu tun hatte, ist sein Handeln gewiss weise und versöhnlich. Schließlich geht es hier nicht um irgendwen oder gar um einen Feind, sondern es geht um seinen Bruder.
Dieser Punkt sollte auch uns bewusst werden, wenn wir mit unserem Bruder im Glauben, Dinge zu klären haben. Schließlich handelt es sich dabei nicht um irgendwen, sondern um einen Menschen, den Gott zu sich gezogen hat. Wer sind wir, dass wir das außer Acht lassen könnten?
Jakob ließ gar nichts außer Acht, im Gegenteil: Er betete zum Allmächtigen, handelte weise und versöhnlich. Vielleicht war nebst Esau er dann selbst davon überrascht, welche Kraft die Versöhnung hat:
1Mo 33,4 Und Esau lief ihm entgegen und umarmte ihn und fiel ihm um den Hals und küsste ihn; und sie weinten. [CSV]
Man könnte sich fragen: War das alles vielleicht nur Show? Manche denken das. Man bedenke dann aber auch, dass dann beide wirklich eine hollywoodreife Vorstellung hingelegt haben, denn der heilige Text sagt, dass sie sich in den Armen lagen – und weinten. Jeder dann natürlich zu hinterhältigen und tückischen Zwecken.
Oder: Ein Moment der Versöhnung führte zum nächsten; d.h. Jakob brach das Eis durch seine Demut und sein Friedensangebot. Esaus Herz wurde weich und er besann sich dadurch auf seine brüderliche Liebe zurück (schließlich war Jakob sein Bruder, sein Zwilling). Gleichzeitig wich Jakobs Angst vor seinem Bruder und auch sein Herz besann sich zurück auf die brüderliche Liebe zu seinem Zwilling – völlig unabhängig davon, was vorher gewesen ist. Das alles spielte keine Rolle mehr. Sie lagen sich in den Armen und weinten.
Dieser eine Moment der Versöhnung entwickelte einfach seine Kraft.
Nun ist es, wie immer, dem Leser überlassen, wie er was versteht: tückische Show oder die Kraft der Versöhnung, von der wir lernen dürfen?
Unabhängig davon, dass alles in diesem Sinne spekulativ ist, weiß man mit großer Wahrscheinlichkeit aus seinem eigenen Leben, dass Momente der Versöhnung große Kraft entwickeln können. Dabei gibt es aber immer einen Haken: Jemand muss den ersten Schritt machen.
Daher die Frage: Warten oder handeln wir?
Mt 5,23-24 Wenn du nun deine Gabe zum Altar bringst und dich dort erinnerst, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar und geh zuvor hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und opfere deine Gabe! [SLT]