Was bedeutet es biblisch, Gebote zu “halten”?
Noch einmal unser Eingangsvers, der der Leitvers Nr. 1 dieser Serie ist:
5Mo 4,2 Ihr sollt nichts hinzufügen zu dem Wort, das ich euch gebiete, und sollt auch nichts davon wegnehmen, damit ihr die Gebote des HERRN, eures Gottes, haltet, die ich euch gebiete. [SLT]
Man könnte sich fragen: “Inwiefern halte ich die Gebote, wenn ich nichts wegnehme und nichts hinzufüge? Denn der Text sagt ja: “Nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen, damit wir die Gebote halten.” Inwiefern hängen diese Punkte miteinander zusammen?”
Wir werden gleich auf die Beantwortung dieser Frage kommen. Zuvor kurz ein anderer Vers, der mehr Licht in das Ganze bringen wird:
3Mo 22,31 Und ihr sollt meine Gebote halten und sie tun. Ich bin der HERR. [CSV]
Wenn man jetzt die Fragen stellen würde:
“Tust du aus Gehorsam und Liebe die Gebote?”
Antwort: “Ja.”
Nächste Frage:
“Aber hältst du auch aus Gehorsam und Liebe die Gebote?”
Mögliche Antwort: “Wo ist der Unterschied?”
Man liest oft diese Worte “Gebote halten und tun” und im deutschen Sprachgebrauch verwenden wir sie als Synonyme: “halten und tun” ist für uns ein- und dasselbe. Jedoch verbirgt sich hinter dem deutschen Wort “halten” im hebräischen Text ein wahrer Augenöffner.
Dazu drei Verse:
1Mo 2,15 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, ihn zu bebauen und ihn zu bewahren. [CSV]
1Mo 3,24 und er trieb den Menschen aus und ließ östlich vom Garten Eden die Cherubim lagern und die Flamme des kreisenden Schwertes, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen. [CSV]
1Mo 4,9 Und der HERR sprach zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Und er sprach: Ich weiß es nicht. Bin ich meines Bruders Hüter? [CSV]
Vielleicht fragt man sich jetzt: “Inwiefern hat das etwas mit ‘Gebote halten’ zu tun?”
Sehr viel, denn hinter den Wörtern in diesen drei Versen (“bewahren, bewachen, behüten bzw. Hüter) steckt ein- und dasselbe hebräische Wort und dieses Wort ist wiederum dasselbe wie bei “Und ihr sollt meine Gebote halten und sie tun. Ich bin der HERR.”
Anders ausgedrückt: Das hebräische Wort “schamar“, was bei uns unterschiedlich übersetzt wird, bedeutet eigentlich: bewachen, behüten, bewahren, beschützen usw.
Eingesetzt in den Vers bedeutet das also:
“Und ihr sollt meine Gebote ‘bewachen, bewahren, behüten, beschützen’ und sie tun.”
Mit diesem Verständnis ergeben unsere beiden Fragen von zuvor nun auch Sinn, denn nun ist “halten und tun” nicht ein- und dasselbe, sondern zwei völlig unterschiedliche Dinge, denn:
- Das eine tue ich, indem ich das ausführe, was das Gebot sagt.
- Das andere tue ich, indem ich das vollkommene Wort Gottes vor allen Angriffen – die etwas davon “wegnehmen oder hinzufügen” wollen – bewache, bewahre und behüte; sprich ich beschütze es gegen Angriffe von außen, bei denen Menschen versuchen, das vollkommene, gerechte, gute und heilige Gesetz, durch ihre Lehren im übertragenen Sinne zu verletzen. Wie?
Indem sie eben etwas wegnehmen oder hinzufügen.
Dieses Verständnis in unseren Leitvers eingesetzt, ergibt die Aussage nun viel, viel mehr Sinn. Dieses Mal aus der Luther 1912, die das hebräische “schamar” genauer übersetzt:
5Mo 4,2 Ihr sollt nichts dazutun zu dem, was ich euch gebiete, und sollt auch nichts davontun, auf dass ihr bewahren möget die Gebote des HERRN, eures Gottes, die ich euch gebiete. [LUT1912]
Wir sollen dem Wort nichts hinzufügen und auch nichts wegnehmen, damit wir die heiligen, gerechten und guten Gebote bewahren und beschützen. Anders ausgedrückt: Damit die Gebote Gottes unverändert bleiben, darf nichts hinzugefügt oder weggenommen werden. Dieses Bewahren, Bewachen, Behüten und Beschützen des Gesetzes ist unsere heilige Aufgabe als Priester Gottes.
1Petr 2,9 Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk… [SLT]
Das heißt, wenn wir die letzten zwei Jahrtausende (und natürlich auch davor) unseren Job gemacht hätten, nämlich die Gebote zu tun und zu beschützen, dann wären wir jetzt nicht da, wo wir sind.
Die Schreiber des sog. “Neuen Testaments” wussten natürlich von diesem “Halten und Tun”, da sie alle Hebräer waren. Daher benutzten auch sie diese vermeintliche Doppel-Formulierung:
1Joh 3,22 und was immer wir bitten, das empfangen wir von ihm, weil wir seine Gebote halten und tun, was vor ihm wohlgefällig ist. [SLT]
Unser Herr und Messias Jeschua (Jesus Christus) war derjenige, der das Gesetz in seiner vollen Erfüllung uns zum Vorbild lebte. Selbstverständlich behütete, bewahrte, bewachte und beschützte auch er das Wort Gottes:
Joh 8,55 Und doch habt ihr ihn nicht erkannt; ich aber kenne ihn. Und wenn ich sagen würde: Ich kenne ihn nicht!, so wäre ich ein Lügner, gleich wie ihr. Aber ich kenne ihn und halte [gr. tereo] sein Wort. [SLT]
Zu dem griechischen “tereo” kurz das erweiterte Strongs-Bibel-Lexikon:
g5083 τηρέω (tereo)
Übersetzung: bewahren
Herkunft: von “teros” behütend, beschützend;
Bedeutungen:
bewahren, sorgfältig auf Personen, Dinge oder Zustände achtgeben: jmdn. oder etw. bewachen, verwahren; auf etw. oder jmdn. aufpassen; übertr.: etw. bewahren (nicht verlieren), etw. in einem gegebenen Zustand unversehrt erhalten … jmdn. vor etw. oder vor jmdm. beschützen (z.B. vor Bösem, Unheil, Angriffen etc.)
Da unser Herr also auch das Gesetz bewahrte, bewachte und beschützte (wie es geschrieben steht), sagte er auch die nun schon mehrfach erwähnten Verse (dieses Mal aus einer anderen Übersetzung):
Mt 5,18-19 Denn wahrlich, ich sage euch: Auch der kleinste Buchstabe im Gesetz Gottes behält seine Gültigkeit, solange Himmel und Erde bestehen.
Wenn jemand auch nur das geringste Gebot Gottes für ungültig erklärt oder andere dazu verleitet, der wird in Gottes neuer Welt nichts bedeuten. Wer aber anderen Gottes Gebote weitersagt und sich selbst danach richtet, der wird in Gottes neuer Welt großes Ansehen haben. [HFA]
Diese Worte unseres Herrn sind für uns aus mehreren Gründen ausschlaggebend:
- Sie sind v.a. deswegen elementar wichtig für uns, weil sie nicht nur im direkten Zusammenhang zu der Gesetzesfrage stehen, sondern sie beantworten sie regelrecht. Gleichzeitig ist diese Klarstellung ein Teil einer seiner wichtigsten Lehren an uns alle (sog. Bergpredigt).
- Sie sind klar, deutlich und sehr leicht für jeden verständlich; d.h. wir benötigen keine Theologen, um sie zu verstehen. Sie sind an uns, das “gemeine Volk” gerichtet.
- Sie sind im Voraus warnend; d.h. unser Herr wusste anscheinend, dass es eine Zeit geben wird, in der man “meinen könnte“, dass das Gesetz oder einzelne Gebote daraus aufgelöst seien. Er warnt uns daher vorher, dass…
Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen sei, um das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen, um aufzulösen… auch der kleinste Buchstabe im Gesetz Gottes behält seine Gültigkeit… - Ganz wichtig für uns bei der Betrachtung: Der Zeitpunkt.
Man kann die Wichtigkeit gar nicht genug unterstreichen, da die aktuell gängigste Lehre sagt, dass das Gesetz oder einzelne Gebote daraus mit dem Zeitpunkt des Opfertodes am Kreuz aufgehoben wurden. Auch hier schafft unser Herr Klarheit für uns:
Auch der kleinste Buchstabe im Gesetz Gottes behält seine Gültigkeit, solange Himmel und Erde bestehen. - Ein weiterer entscheidender Punkt ist, dass es Strömungen im Christentum gibt, die Teile aus dem Gesetz für gültig erachten (wie z.B. die Zehn Gebote oder zumindest neun davon); dann gibt es welche, die die Feste Gottes aus 3Mo 23 halten, aber alles andere nicht usw.
Ob diese Vorgehensweise “der menschlichen Auswahl an Geboten” richtig oder falsch ist, beantwortet unser Meister ebenfalls klar und deutlich. Somit macht er es uns sehr einfach, sodass wir uns nicht ständig fragen müssen: “Sind jetzt alle Gebote gültig bis auf das eine? Oder zwei, drei weitere, die nicht mehr gültig sind? Oder sind nur noch die zehn Gebote gültig? Oder gar nur das eine der Liebe?”; all diese und ähnliche Fragen werden einfach und klar für uns beantwortet, damit wir auch diesen Punkt ja nicht falsch verstehen:
Wenn jemand auch nur das geringste Gebot Gottes für ungültig erklärt oder andere dazu verleitet, der wird in Gottes neuer Welt nichts bedeuten.
In kurz: Er lehrt uns das heilige Gesetz seines und unseres Vaters zu bewachen, zu bewahren und zu beschützen.
Diese priesterliche Aufgabe im Alltag angewandt lautet dann wie folgt:
Kommt jemand zu uns und will uns sagen, dass das Gesetz, das von Gott kommt, so wie es ist, nicht vollkommen ist und man noch oben drauf dieses und jenes tun muss, dann stellen wir uns sozusagen zwischen diese menschliche Lehre und der vollkommenen Lehre Gottes und beschützen sie.
Das andere ist dem ersten gleich: Kommt jemand zu uns und will uns sagen, dass das Gesetz, das von Gott kommt, so wie es ist, nicht vollkommen ist und eigentlich eine Bürde und Last ist und dass man es nicht mehr zu halten brauche, genau dann halten wir es, d.h. genau dann beschützen, bewahren und bewachen wir es.
Anders ausgedrückt:
Gottes Wort schützt uns & wir schützen das Wort Gottes!
Wir sind somit Wächter des Wortes!
Dieser heiligen Aufgabe eines Priesters in Christus ist diese Serie gewidmet.
V1.3