Was bedeutet es, dass die Torah geistlich ist?
Wir leben in einer Zeit, in der wohl mehr denn je Themen wie diese in aller Munde sind: “Vom Geist geleitet, wurde mir dieses oder jenes gezeigt”, oder: “Er oder sie hat den Geist des so und so”, oder: “Vergeistlicht bedeutet der Vers das und das hier”, usw. usf. Vieles, bei manchen sogar fast alles, dreht sich um Geistliches. Das geht teilweise so weit, dass man die gesamte Torah als geistlich ansieht. Was, wenn man es richtig versteht und anwendet, auch stimmt, denn …
Röm 7,14 Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist …
Aber was genau bedeutet es, dass das Gesetz geistlich ist?
Für viele unserer christlichen Geschwister bedeutet das:
“Weil das Gesetz geistlich ist, muss man physisch davon nichts mehr halten.”, d.h. in anderen Worten: Das Geistliche hebt das Physische auf.
Alle von uns, also alle Geschwister, die Jeschua folgen und nach der Torah leben, haben diese Lehre geprüft und sie als Irrlehre entlarvt. Warum? Weil durch diese ”Vergeistlichung” etwas (in dem Fall sogar alles) von der Torah weggenommen wird.
Aber wie sieht es aus, wenn Lehren einzelne Gebote durch eine Vergeistlichung ”wegnehmen”, indem sie z.B. sagen: “Das Gebot ist geistlich erfüllt worden und daher muss man es nicht mehr halten?” Ist es bei einer derartigen Lehre anders?
…
Andere Frage im Zusammenhang von 5Mo 4,2: Kann man durch eine Vergeistlichung der Torah auch neue Gebote hinzufügen?
Ja, das kann man. Es ist sogar so, dass es die am weitesten verbreitete Interpretationsmethode ist, die der Torah hinzufügt.
Ein kleines Beispiel dazu, ehe wir in den kommenden 5Mo 4,2-Tests noch auf diese “weit verbreitete Interpretationsmethode” zurückkommen werden:
Wenn man sich ein wenig mit dem Zelt der Zusammenkunft (was fälschlicherweise auch als “Stiftshütte” bekannt ist) beschäftigt hat, wird man wissen, dass es voll von geistlichen Inhalten ist. Ob es die Gegenstände sind, die Priester, ihre Kleidung, die Abläufe, die Opfer, alles ist voll von geistlichen Sinnbildern, von denen wir enorm viel lernen und ganz praktisch auf unser Leben anwenden können.
Jetzt ist es bei dieser “weit verbreiteten Interpretationsmethode” aber so, dass diese geistlichen Sinnbilder von physischen Dingen, nachdem sie vergeistlicht wurden, wieder “zurückverphysischt” werden.
Was damit gemeint ist, kurz anhand eines Beispiels, das bewusst fiktiv ist; d.h., wir haben diese Lehre so noch nicht gehört, aber sie folgt dennoch eins zu eins dieser “weit verbreiteten Interpretationsmethode”, etwas Physisches zu vergeistlichen, um es dann wieder zu “verphysischen”. Das Beispiel dazu:
Einer der wichtigsten Punkte, die wir vom Zelt der Zusammenkunft lernen dürfen, ist (wie es der Name schon sagt) unsere Zusammenkunft mit unserem Schöpfer, d.h. wir dürfen durch das Zelt lernen, wie wir uns Gott nahen.
Hierfür spielt natürlich das Gebet eine zentrale Rolle. Die Lehre besagt nun, weil unser Gebet als Annäherung zu unserem Gott das geistliche Abbild der physischen Annäherung im Zelt ist, ist der Dank, den wir im Gebet sprechen, das geistliche Abbild des physischen Dankopfers im Zelt.
In anderen Worten:
Physische Annäherung zum Zelt – > vergeistlicht: Annäherung durchs Gebet
Physisches Dankopfer beim Zelt – > vergeistlicht: Dank beim Gebet
Soweit passt alles. Physische Vorgänge haben eine sinnvolle Vergeistlichung. Jetzt passiert es aber, dass eben nachdem etwas Physisches sinnvoll vergeistlicht wurde, man wieder zurück ins Physische springt. Wie? Indem man z.B. sagt, dass man zwar kein physisches Tieropfer mehr bringen muss, aber da beim Opfern Rauch gen Himmel stieg, man beim Gebet eine Kerze anzünden muss.
Es wird wohl kaum jemanden geben, der etwas Derartiges lehren wird. Oder doch?
Hier für dieses Beispiel mag uns klar sein, dass das nicht gemäß der Torah wäre, aber wenn exakt dieselbe “weit verbreitete Interpretationsmethode” auf andere Dinge angewandt wird, ist das vielen nicht so klar.
Wir werden in den folgenden 5Mo 4,2-Tests noch genug anschauliche Beispiele zu diesem “Physisches vergeistlicht und wieder zurückverphysischt” haben. Dann wird man es auch noch besser greifen können.
Da wir hier aber noch bei unserem 1×1 sind, ist es nebst der Tatsache, dass es geistliche Sinnbilder in der Torah gibt, besonders wichtig zu verstehen, was Paulus mit seiner Aussage: ”Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist …” eigentlich meinte. Denn dieses fundamental wichtige “Geistliche” ist um ein Vielfaches wichtiger als irgendwelche geistlichen Sinnbilder. Warum das so ist, schauen wir uns anhand des Zusammenhangs dieser Stelle an:
Röm 7,14-15 Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft. Denn was ich vollbringe, billige ich nicht; denn ich tue nicht, was ich will, sondern was ich hasse, das übe ich aus. … 22-23 Denn ich habe Lust an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen; ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das gegen das Gesetz meiner Gesinnung streitet und mich gefangen nimmt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.
Ohne ins Detail zu gehen, kann man hier klar und deutlich erkennen, dass Paulus von einem Kampf zwischen unserem fleischlichen Ich und dem geistlichen Gesetz spricht.
Bei einem seiner anderen Briefe beschreibt er diesen Kampf, auf den Punkt gebracht, wie folgt:
Gal 5,17 Denn das Fleisch gelüstet gegen den Geist und der Geist gegen das Fleisch; und diese widerstreben einander, sodass ihr nicht das tut, was ihr wollt.
Dass das Gesetz geistlich ist, bedeutet also schlicht und einfach, dass es von Gott kommt, der, wie wir alle wissen, Geist ist, wir hingegeben haben eine menschliche, “ungeistliche” Natur. Daher widerstreben diese einander!
In anderen Worten: Es geht bei der Aussage von Paulus nicht um irgendeine versteckte, geheime, tief-geistliche Bedeutung der Torah, sondern schlicht und einfach um den Kampf:
Gottes heiliges, gutes und geistliches Gesetz
gegen
des Menschen unheilige, böse und ungeistliche Natur!
Auf diesen Kampf, der jedem von uns absolut bewusst sein muss (!), werden wir im nächsten Teil und bei der Prüfung diverser Lehren immer wieder zurückkommen. Denn dieser Kampf spielt für das Verständnis zahlreicher Lehren keine unbedeutende Rolle.