Gefahren im Glauben – Das größte Gift der Gesellschaft

Das Leben von “Klein-Eva”

Eva ist vier Jahre alt und ein ganz normales Kind von ganz normalen Eltern. Sie ist mal mehr, mal weniger gehorsam, steckt voller Lebensfreude, tobt gerne mit ihren Freunden und schnappt viele Begriffe auf, die sie dann wiederholt. Und Eva hat das Glück, dass sie ein Kind ist, das eine große Familie hat. Die Großeltern leben noch, sie hat viele Onkel und Tanten und auch ältere Cousins und Cousinen. Da Eva ein aufgewecktes und energiegeladenes Kind ist, steht sie häufiger im Mittelpunkt. Sehr oft wird ihr von allen Seiten gesagt, wie süß sie ist. Besonders dann, wenn Mama ihr Löckchen macht und ihr schicke Kleider anzieht, bekommt sie von allen Seiten Komplimente, wie toll sie denn aussieht.

Eva wird älter, geht in den Kindergarten und dann in die Schule. In diesem Alter hat sie natürlich ihr babyhaftes Aussehen verloren. Sie ist, wie all die anderen auch, halt ein normales Kind – obwohl sie an der linken Hand einen kürzeren kleinen Finger hat als an der rechten Hand. Sie stört das nicht, aber einige der Mitschüler schon.

Die Jahre vergehen und sie hat mittlerweile die Grundschule hinter sich gebracht. Auf der neuen Schule bilden sich die ersten “Cliquen”. Auch Eva gehört zu so einer. Es ist aber nicht die, wo die besonders “Coolen” und “Angesagten” sind. Ohne es irgendwie mit etwas Schlechtem, wie z.B. Neid, in Verbindung zu bringen, denkt sie sich, dass sie gerne auch so aussehen würde, damit sie so cool und beliebt wäre, wie die Mädels in der Clique. Beim Sportunterricht in der Umkleide fängt sie an, ihren eigenen Körper mit den Körpern der anderen zu vergleichen. Sie denkt sich dabei oft so Sachen, wie: “Das habe ich nicht. Das sieht bei mir anders aus.” und dergleichen. Auch wenn sie fernguckt, im Internet ist, Werbung sieht, achtet sie bewusst-unbewusst mehr und mehr auf das Äußere der Frauen. Ähnlich wie in der Umkleide vergleicht sie auch hier einzelne Körperpartien anderer mit ihrem eigenen Körper.

Während dieser Zeit fängt es auch an, dass sie ihr minimal kleinerer Finger doch irgendwie stört. Und das obwohl sie kaum noch jemand drauf anspricht. Aber das spielt für sie keine Rolle. Sie hat diesen ”Makel” an sich entdeckt und achtet jetzt automatisch bei anderen darauf. Aber nicht nur ihr Finger macht sie traurig, sondern auch einige andere Punkte an ihrem Körper. Auch wie beliebt die anderen sind und wie oft sie einen “Daumen” bei den sozialen Medien bekommen, macht ihr irgendwie zu schaffen. Sie sieht dabei auch, was für vermeintlich tolle und schicke Kleidung die anderen haben und sie nicht. Denn Evas Eltern haben nicht so viel Geld und möchten auch nicht, dass ihr Kind mit Markenklamotten und so wie die anderen herumläuft. Eva versteht das nicht und hat Angst, dadurch als Außenseiterin zu gelten.

Im Teenageralter werden einige ihrer Probleme besser, andere verschlimmern sich. Sie kommt z.B. mittlerweile mit ihrem kleinen Finger immer besser klar, weil sie versteht, dass das nicht der Fokus der anderen ist. Vielen fällt es ja erst gar nicht auf. Das nimmt sie wahr und das beruhigt sie, sodass sie nicht mehr so drauf achtet. Worauf sie aber immer mehr und mehr achtet, ist ihr eigener Körper. Sie ist mittlerweile 1,70 groß und wiegt dabei 60 Kilo. Eva denkt, dass das viel zu viel sei. Sie fängt mit einer Diät und Sport an. 

Parallel zu diesen Ereignissen haben ihre Freundinnen das Schminken für sich entdeckt. In der Pause und nach der Schule tauscht man sich daher über die ersten Make-up-Tipps aus und holt sich auch schon die ersten Beauty-Produkte.

Nebenbei spielt Eva Schach. Das ist ihr kleines Hobby. Man hält sie dadurch irgendwie für schlau. Eva interessiert das aber mit zunehmendem Alter immer weniger. Sie weiß auch, dass keines der beliebten Mädels Schach spielt. Es wird mehr und mehr zu einer Randerscheinung in ihrem Leben. 

Eva nimmt jetzt auch immer bewusster wahr, wie sie bei den Jungs ankommt. Sie merkt, dass da nicht viel positives Feedback kommt. Weder in echt durch Blicke oder so, noch online auf Facebook oder Instagram. Sie merkt aber, wenn sie sich hier und da mal (z.B. bei einer Feier) anders kleidet, ihre Haare macht und Make-up auflegt, sich das Ganze schlagartig ändert und die Jungs gucken. Das gefällt Eva. Daher informiert sie sich durch Magazine und Internetvideos darüber, wie man sich richtig stylt und schminkt. Sie sieht, wie man davor und danach aussehen kann. Und dieses “danach” will sie auch. Sie lernt durch diese Bilder und Videos auch, wie man gewisse Körperpartien kaschiert und andere vorteilhaft betont. Und ganz nebenbei lernt sie bei all dem noch eines: Es ist völlig normal, dass Frauen heutzutage das alles machen. Also macht sie das auch.

Mit all diesen gelernten “Methoden” bekommt sie dann auch die Blicke, nach denen sie sich sehnt. Ihr wird, sowohl von den Mädels als auch von den Jungs, gesagt, wie viel besser ihr das steht. Die “digitalen Daumen nach oben” bekommt sie jetzt auch.

Im Großen und Ganzen ist es für Eva eigentlich ganz genau so, wie sie es aus ihrer Kindheit kennt, als sie von Mama “hübsch” gemacht wurde und dann von allen Komplimente erhalten hat. Nicht, dass Eva das irgendwie miteinander in Verbindung bringen würde. Nein, wie denn auch, denn sie kann sich ja kaum noch daran erinnern, aber es ist dennoch ein und dasselbe: Hübsch machen = Anerkennung bekommen = sich freuen.

Die Jahre vergehen und aus “Klein-Eva” ist ein junges Fräulein mit 18 Jahren geworden. Und so wie es ihr die Welt vorlebt, “macht sie jetzt ihre ersten Erfahrungen” mit dem anderen Geschlecht. In der Schule kommt ein neuer Junge an, in den sich Eva verguckt. Sie hat Schmetterlinge im Bauch, wenn sie ihn sieht; aber auch wenn sie allein daheim ist und über ihn nachdenkt oder auf Insta seine Fotos zigmal von hinten bis vorne durchguckt, merkt sie, dass da was ist. Sie ist verknallt. Also versucht sie, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und da sie mittlerweile gelernt hat, wie das geht, macht sie das dann auch. Nur mehr als vorher, d.h. noch mehr Styling, noch körperbetontere Kleidung, noch mehr Diäten usw. Und ungeschminkt vor die Haustür geht auch nicht mehr. Denn wenn sie sich im Spiegel einmal geschminkt und einmal ungeschminkt ansieht, will sie im Grunde nie mehr ungeschminkt vor die Haustür gehen. Warum denn auch? Wenn sie doch mit ein paar Handgriffen “schöner” aussehen kann.

All ihre Bemühungen zeigen dann schlussendlich auch die Wirkung beim männlichen Geschlecht, sprich der junge Mann wird aufmerksam auf Eva und ihm gefällt, was er sieht. In kurz: Sie kommen zusammen. Da Eva trotz all dieser “Schönheitsmaßnahmen” aber im Grunde unzufrieden mit sich selbst ist und noch schüchtern dazu, weiß sie nicht, was genau sie jetzt tun soll, da er ihr erster Freund ist. Außerdem will sie nicht mit ihm intim werden, der Junge aber schon. Die Zeit vergeht und er trennt sich von ihr. Die Gründe nennt er nicht, aber kurze Zeit später sieht Eva ihn mit einer anderen. Für sie ist klar: Er hat sich getrennt, weil die andere schöner war. Sie erlebt großen Herzschmerz, Kummer und Trauer, denn sie hatte ihn wirklich geliebt.

Durch diese Erfahrung geprägt, will Eva es “zukünftig besser machen”, d.h. noch strengere Diäten, noch modischere Kleidung und der Gang ins Fitness-Studio ist für sie ebenfalls unvermeidbar. So ihre Denke. Aber im Fitness-Studio angekommen, zieht sie das Ganze noch mehr herunter, denn dort sieht sie nun Frauen, die seit Jahren ihren Körper quälen, damit er so aussieht, wie er aussieht, nämlich entsprechend dem “Schönheitsideal der Welt”. Eva sieht sich aber weit entfernt von diesem “Ideal”. Das macht ihrer Psyche nur noch mehr zu schaffen.

Im Laufe der nächsten Jahre lernt Eva dann einen weiteren jungen Mann kennen. Aber diese Beziehung läuft anders als die erste. Denn nebst den Schmetterlingen im Bauch hat sie dieses Mal auch Angst. Sogar eine dauerhafte, tiefsitzende Angst davor, dass er sie wegen einer anderen verlassen wird. Diese Angst wirkt sich ungesund auf die Beziehung aus und er verlässt sie. Obwohl Eva dieses Mal den Ex nicht mit einer Neuen sieht, glaubt sie dennoch felsenfest daran, dass sie wieder nicht gut genug war und wegen einer anderen, Schöneren verlassen wurde.

Weitere Jahre vergehen und zu all diesen Problemen kommt nun ein neues Dilemma auf Eva zu: Sie bekommt die erste Falten. Auch findet sie, dass ihr Körper nicht mehr so aussieht, wie er es mit 18 tat. Die Unzufriedenheit von früher kommt verstärkt zurück. Oder war sie nie weg? Sie weiß es nicht genau. Sie weiß nur eins: Das, was überall als schön angesehen wird, ist nicht das, was sie hat.

Hier schließen wir mit der Erzählung ab.

Die Geschichte von “Klein-Eva” ist kein Einzelfall und keineswegs weit hergeholt. Nichts daran ist übertrieben oder überspitzt. Im Gegenteil. Es gibt viel, viel schlimmere Szenarien. Denn die Programmierung der Welt, sprich das Gift der Gesellschaft – nennen wir es das Gift der Oberflächlichkeit – wirkt überall und diese und ähnliche Lebensgeschichten sind leider zu einem “Normalzustand” in unserer heutigen Zeit geworden.

Eine anschauliche Geschichte mitten aus dem Leben dazu ist z.B. diese Frau hier. Sie hat mit 14 Jahren etwas erlebt, was Jahrzehnte später immer noch große Schmerzen auslöst, weil es anscheinend immer noch tief in ihr sitzt:
(Wichtige Anmerkung: Bitte erst einmal nur die Stelle von 4:45 – 7:06 anschauen. Gerne könnt ihr euch im Anschluss das ganze Video zu Evelyn angucken.)

Wir möchten ihre abschließenden Worte wiederholen, weil sie perfekt zu unserem Thema passen:

“… Ich glaube die Veränderung hat eher unbewusst stattgefunden, weil ich nachher eigentlich immer wieder solche Erlebnisse hatte, weil die Gesellschaft, die Welt, einfach das auf die Menschen projiziert. Damals schon in den Medien, so wie heute noch viel schlimmer, ja ohnehin, dass man letztlich nur schön und wertvoll ist, wenn man nach einem gewissen Bild, was einem in dieser Gesellschaft vermittelt wird, aussieht und sich verhält. Und die eigentlichen, grundlegenden Werte und die eigentliche Schönheit ja nicht in dem Äußeren, Vergänglichen liegt.”

Dieses Erlebnis von Evelyn passt perfekt zur Geschichte von Klein-Eva. Das ist so gar nicht gewollt gewesen, denn das fiktive Leben von Eva war bereits geschrieben und erst danach haben wir dieses Video von Evelyn gesehen. Jetzt kann man sagen, dass das Fügung war oder man kann sagen, dass dieses Problem so weit verbreitet ist, dass die Wahrscheinlichkeit sehr, sehr hoch war, dass man von jemandem hört, der genau dieses Problem genau so erlebt hat.

Das Hauptproblem bei dem Ganzen ist aber, dass viele dieses Gift der Gesellschaft nicht einmal ansatzweise in seiner Tragweite erkennen. Ganz so wie es Evelyn selbst auch bestätigt:

“… es hat tatsächlich in meinem Leben sehr, sehr viel verändert, was ich erst später realisiert habe, dass ich eigentlich ab diesem Moment das Gefühl hatte, dass ich nur dann geliebt werde und man bei mir bleibt, wenn ich so aussehe …”

Hier sagt Evelyn, dass sie die Auswirkungen und Nachwirkungen dieser weltlichen Programmierung erst viel später verstanden hat. Und so geht es vielen. Oder schlimmer: Viele erkennen dieses Gift gar nicht, geschweige denn, was die Tiefe, Breite und Höhe dieses Gifts eigentlich alles ist und was es alles in Menschen kaputtmacht.

Einige dieser Auswirkungen wollen wir uns jetzt etwas genauer anschauen.