“Eigentlich will ich ja, aber …”

Das Smartphone

“Wenn er aufsteht, bin ich für ihn da. Wir gehen gemeinsam durch den Tag. Und zwar jeden Tag. Wir sind immer zusammen. An seinen schönsten Momenten lässt er mich stets teilhaben. Oder es ist sogar so, dass ich ihm die schönsten Momente seines Tages schenken kann. Und wenn ihm langweilig ist, bin ich das erste, woran er denkt. Wir sind quasi wie füreinander geschaffen. Wir sind eins.” – Auszug aus dem Tagebuch eines Smartphones.

Auch wenn das sicherlich ein wenig übertrieben klingen mag, ist ebenfalls sicherlich für einige etwas Wahres dran. Denn dieses Gerät hat eine Anziehungskraft, die von vielen völlig unterschätzt wird. Nicht nur deswegen, weil es weitaus mehr als nur ein Telefon zum Telefonieren ist, sondern es ist auch PC, Spielekonsole, Fernseher und vieles mehr in einem.

Stell dir zu dieser Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten mal folgende Situationen vor und überlege, was du in dem jeweiligen Beispiel denken würdest:

– Man sitzt mit mehreren Personen gemütlich da und unterhält sich. Aus dem Nichts zückt jemand eine Zeitung heraus, schlägt sie auf und fängt an, gemütlich darin zu lesen. Was würdest du denken?

– Du sitzt mit deiner und einer anderen Familie, die du gut kennst, im Wohnzimmer und ihr schaut euch zusammen mit den Kids eine Doku an und einer der Gäste geht aus dem Zimmer holt sich seinen Laptop, setzt sich wieder in die Runde und fängt an, an seinem Laptop irgendwelche Sachen zu machen. Nicht irgendeine wichtige Arbeit, die nicht warten kann, sondern einfach irgendwelche Dinge. 

– Du zockst gemeinschaftlich mit deinen Kumpels an der Konsole ein Fussballspiel und einer derjenigen, der gerade nicht dran ist, baut seinen kleinen Fernseher mit einer anderen Konsole auf und daddelt alleine weiter, weil er eben grad nicht dran ist.

Sehr wahrscheinlich wirst du bei allen diesen Beispielen denken, dass das Verhalten gelinde gesagt sehr seltsam ist. Aber ersetzt man in exakt denselben Situationen die einzelnen Gegenstände mit dem Smartphone sieht alles ganz anders aus. Dann wird es – kurioserweise – “völlig normal”.

Ähnlich ist es auch beim Vergleich mit dieser Situation:

– Auch hier sitzt man zusammen und eine Person greift immer wieder in seine Tasche und geht anschließend aus dem Raum. Um was zu tun? Um eine zu rauchen.

Offensichtlich ist diese Person abhängig. Ersetzt man aber den Griff zu den Zigaretten mit dem Griff zum Handy, sieht auch hier das Ganze anders aus. Dann ist das kein Suchtverhalten.

Die Frage ist: Warum?

Weil es eben völlig normal geworden ist. Man macht sich kaum noch Gedanken darüber. 

Würde man aber die zuvor genannten Gegenstände wie eine Zeitung, einen Fernseher, eine Konsole oder dergleichen auspacken, würde man denjenigen für verrückt erklären. Was aber verrückt ist, ist die Welt, in der all das mehr und mehr normal wird.

Übertreiben wir?

Das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Nun die Verbindung zu unserem Thema: Wir hatten ja vorhin die Frage nach dem: “Was hält mich von meiner Berufung ab?” mit folgenden beispielhaften Punkten beantwortet:
Wechselhafte Motivation, geringes Durchhaltevermögen, gefährliche Relativierungen und Verharmlosungen, Ablenkungen, zu wenig Disziplin, Faulheit und dergleichen. Also ganz normale menschliche Schwächen.

Man könnte alle diese Aufzählungspunkte auch auf das Smartphone anwenden und das Gerät dann wie folgt beschreiben:
Motivations-Hemmer, Durchhaltevermögens-Abschwächer, Ablenkungs-Maximierer, Disziplin-Bremse, Faulheits-Beschleuniger und:
Alle diese Eigenschaften des Geräts werden dann auf gefährliche Art und Weise relativiert und verharmlost.

Trifft das auf jeden zu?

Nein. Denn erst einmal ist nichts am Smartphone per se schlecht. Wie es der Mensch nutzt, ist das Entscheidende. So wie es auch mit dem Internet der Fall ist. Es ist nicht von Grund auf schlecht, es kann sogar total dienlich sein, wenn man es vernünftig und weise nutzt.

Nun ist es aber so, dass das Smartphone mehr als alle anderen Erfindungen in der Menschheitsgeschichte die Kraft hat, uns ganz unbewusst zu beeinflussen, zu manipulieren oder gar zu beherrschen.

1Kor 6,12 Alles ist mir erlaubt – aber nicht alles ist nützlich! Alles ist mir erlaubt – aber ich will mich von nichts beherrschen lassen!

Wie könnte uns also das Smartphone beeinflussen, manipulieren oder gar beherrschen?

Die Antwort ist vielschichtig und vielfältig. Dennoch gibt es eine ganz spezielle Gemeinsamkeit, die auf alle Menschen zutrifft. Und zwar ausnahmslos. Denn sie hat damit zu tun, wie Gott uns alle erschaffen hat. Und diese eine spezielle Gemeinsamkeit lässt sich eben ganz besonders gut durch das Smartphone veranschaulichen und dann auf alles andere in unserem Leben anwenden. Klingt vielleicht seltsam, aber so ist es.

Das Stichwort hier lautet (bitte nicht erschrecken :)): Dopamin.

Was es damit auf sich hat, wollen wir nicht theoretisch, sondern durch ganz einfache praktische Mittel veranschaulichen. Hiermit beginnend:

Was hat das mit einem Smartphone und Dopamin zu tun?

Sehr viel. Unabhängig davon, dass allein der physische Vorgang des “Durchscrollens” und Stehenbleibens an einer bestimmten Stelle sehr ähnlich ist, ist die wichtigste Parallele zwischen beiden die spannungsvolle Erwartung von etwas Positivem.

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Bei dem einen ist es die Erwartung auf Gewinn. Beim anderen sind es Nachrichten, witzige Bilder, Videos, Daumen nach oben oder was auch immer. Und genau da kommt auch schon direkt der eine besondere Aspekt der Schöpfung ins Spiel, wo es um das Dopamin geht.

Dopamin wurde lange Zeit als “Glückshormon” bezeichnet. Das heißt: Wir empfinden ein Glücksgefühl und dann wird dieser Botenstoff in unserem Gehirn ausgeschüttet.
Jedoch hat man nun herausgefunden, was für unsere Betrachtung hier absolut entscheidend ist. Dopamin ist weniger ein Glückshormon, sondern vielmehr ein Stoff, der uns dazu bewegt, etwas ganz Bestimmtes zu tun, um dann am Ende etwas Positives zu empfinden.

In anderen Worten: Dopamin ist nicht das Ende der Kette von Ereignissen, wie z.B. beim Gewinn am einarmigen Banditen, sondern es ist der Stoff, der den Menschen antreibt, immer wieder diesen Arm nach unten zu drücken. Diesen direkten Zusammenhang hat man ganz einfach herausgefunden, indem man festgestellt hat, dass der Dopaminwert im Gehirn vor einem möglichen Gewinn wesentlich höher war als beim Gewinn selbst.
Genau dasselbe Phänomen hat man auch bei Drogensüchtigen beobachten können. Das heißt, vor der Einnahme der Droge war der Dopaminwert im Vergleich zum Einsetzen des Glücksgefühls wesentlich höher. Und das ist nicht nur bei der Einnahme von Drogen so, sondern eben auch beim Glücksspiel, wo keinerlei Drogen dem Körper zugeführt werden.

Die Erwartungshaltung auf etwas ist das,
was immer wieder zu einer Handlung antreibt.

Und so ist es auch beim Handy. Denn es ist nachweislich so, dass bei jedem Griff zum Smartphone der Dopamin-Wert im Gehirn ansteigt. Je nachdem, in welchem Zusammenhang man zum Handy greift. Ist es nur das Rangehen, weil das Telefon klingelt, ist es natürlich anders, als wenn man vielleicht irgendwelche Social Media Plattformen durchscrollt.

Des Weiteren hat es natürlich auch mit dem Nutzer an sich zu tun. Also wie intensiv und für was er sein Handy im Allgemeinen nutzt. Auch wurde festgestellt, dass der Dopamin-Wert genau dann ganz besonders hoch ist, wenn man nicht weiß, was einen erwartet. Das wäre die nächste Parallele zum einarmigen Banditen oder zum Glücksspiel an sich. Das heißt: Die zuvor genannte Erwartungshaltung + das Ungewisse lassen das Dopamin – das Antriebsmittel für die jeweilige Handlung – in unserem Gehirn durch die Decke schießen. Das wiederum sorgt eben dafür, dass man den entsprechenden Vorgang immer und immer wiederholen möchte. In kurz: Es entsteht Sucht.

Für den Glücksspieler oder Drogensüchtigen bedeutet das: Er weiß im Grunde, dass es nicht gut ist, dass man sein Geld verzockt oder Drogen zu sich nimmt. Jedoch spielt das für die Ausschüttung des Botenstoffs keine Rolle. Das heißt, auch wenn man ganz genau weiß und es auch zigmal erlebt hat, dass man es im Nachhinein bereuen wird, was man getan hat, hemmt das die Ausschüttung des Dopamins nicht. Das führt dann eben zu dem hier:

Das Wollen ist zwar bei mir vorhanden,
aber das Vollbringen des Guten gelingt mir nicht.

Auch wenn man das alles weiß, kommt es dennoch dazu (und das ist eines der vielen paradoxen Dinge an uns Menschen), dass uns ein kleiner Moment der Befriedigung genügt, um unseren gesunden Menschenverstand quasi auszuschalten. Beim Drogenabhängigen ist es der Kick, beim Glücksspieler ist es der eine Moment des Gewinns. Blickt er aber auf sein gesamtes Spielerleben zurück, wird er sich eingestehen müssen, dass er nicht Geld gewonnen, sondern ans Casino verloren hat.

Ähnlich ist es mit dem Handy, nur dass es da nicht um Geld, sondern um Zeit geht. Soll heißen, dass viele wissen, dass man mit diesem Gerät kostbare Zeit verliert, aber die einzelnen Momente der Freude wiegen quasi alles auf. Beim Handy kommt aber erschwerend hinzu, dass die allerwenigsten wissen, dass sie abhängig sind oder eben, wie es für Abhängige üblich ist, ihre Sucht verharmlosen.

… 

Eine abschließende Parallele (es gibt tatsächlich noch einige mehr):
So ähnlich wie beim Drogenkonsum zunehmend eine Toleranz aufgebaut wird, passiert dasselbe auch mit dem Dopamin. Das heißt, je mehr Dopamin im Gehirn ausgeschüttet wird, desto größer wird auch das Verlangen nach mehr Dopamin, weil die ursprüngliche Dosis nicht mehr ausreicht. Das führt dann dazu, dass der Glücksspieler das Verlangen empfindet, um immer größere Summen zu spielen, der Drogenabhängige immer höhere Mengen zu sich zu nehmen usw. Auch bei Extremsportlern kann man dieses Phänomen beobachten. Bei ihnen muss es immer krasser und gefährlicher werden, weil das Ursprüngliche einfach nicht mehr genügt. Die Menge an Dopamin reicht einem einfach nicht mehr aus.

Klingt einfach. Erstaunlicherweise ist es das auch. Deswegen gibt es ja all diese Parallelen in den Beispielen, die eins zu eins zueinander passen, weil der Ursprung im Gehirn immer derselbe ist. Egal für was.

Und so ist es auch für die Parallelen bei unseren Eingangsbeispielen:
Wenn man sich unterhält und das Gespräch ist nicht stimulierend genug, kommt der Griff ans Handy; muss man beim Spielen warten, bis man wieder dran ist, kommt der Griff ans Handy; ist die Doku mit den Kids nicht so spannend, kommt der Griff ans Handy usw.

Man könnte sagen:

All das “kickt nicht mehr genug”. Und daher:
Ist mir langweilig, zücke ich einfach mein Handy.
Dann ist alles wieder gut.

Dadurch werden die Phasen zwischen den einzelnen Dopamin-Ausschüttungen im Gehirn immer kürzer. Der Mensch kann quasi nicht mehr still sitzen und mal ein Dopamin-Loch überstehen. Er braucht es ja auch nicht mehr zu tun. Er muss sich nicht mehr langweilen. Nicht einmal für einen kurzen Moment, denn seit ca. 15 Jahren hat er ja sein Smartphone. Vorher war das alles nicht möglich. Jetzt aber schon.

Durch diese Erfindung gibt es für viele Menschen keine richtigen Ruhephasen mehr. Er trainiert sich selbst in einem ständigen Dopamin- Fluss zu bleiben. Ein Stillsitzen und mal in der Bahn sinnend aus dem Fenster blicken, gibt es schon lange nicht mehr. Und je jünger die Leute sind, desto klarer kann man dieses Phänomen beobachten. Unter anderem, weil sie es gar nicht anders kennen. Sie sind so groß geworden.

Die Gesellschaft hat sie zu
Dopamin-Junkies programmiert.
Alles muss ständig “kicken”!

Dieses eben beschriebene Verhalten hat ebenfalls eine eins zu eins Parallele. Am besten lässt sich diese anhand eines stark Alkoholabhängigen erkennen. Denn auch er braucht ständig seinen gewissen “Pegel”. Dafür muss er seinem Körper immer wieder Alkohol zuführen. Und hat er die Möglichkeit, stets Alkohol griffbereit zu haben, dann kommt eine Pause, also ein Alkoholloch, für ihn nicht mehr in Frage.

Und – so krass das auch klingen mag – exakt genauso ist es mit dem Handy. Es ist da. Ich kann einfach danach greifen. Mein Langeweile-Loch muss nicht mehr sein.

Und das Schlimme dabei ist:

  • Man merkt die Abhängigkeit gar nicht.
  • Es gibt keine merkbaren körperlichen Folgen.
  • Und die Akzeptanz in der Gesellschaft ist zu 100% gegeben, d.h. ich werde nicht wie mit einer Alkoholflasche in der Hand schief angeguckt, wenn ich stattdessen ein Handy in der Hand habe. Wäre das so, würde ich in der Öffentlichkeit anders mit meinem Handy umgehen. Da das aber nicht so ist, gibt es auch so gut wie keine Hemmschwelle.

… 

Noch einmal als Anmerkung an dieser Stelle:
Hier geht es nicht (!) um eine Verteufelung des Geräts, sondern nur um ein Aufzeigen der quasi “im Hintergrund ablaufenden Dinge”. Jeder kann das für sich selbst prüfen, inwiefern es ihn betrifft. Nicht nur fürs Handy, sondern für alles Mögliche im Leben.

Denn wie gesagt: Das “Antriebsmittel” Dopamin ist in allen Bereichen unseres Lebens im Einsatz. Es ist ein Teil der Schöpfung. Es soll aber nicht so wirken, als wären wir alle willenlose Opfer dieses Botenstoffs. Jeder kann selbst entscheiden, ob er mit seinem Arm an einem einarmigen Banditen zieht, ob er zur Droge greift oder eben ob, wann, wo und wie oft er zu seinem Smartphone greift. All das hat mit unserem freien Willen zu tun, den uns unser Schöpfer geschenkt hat.

In einem ganz einfachen Beispiel veranschaulicht:
Nutze ich diesen freien Willen und greife zu meinem Handy und mache die Dinge, die ich will oder gehe auf die Knie und bitte um Dinge, die Gott will? Das ist im Grunde der Hauptkampf, der in uns stattfindet. Denn … 

Gal 5,17 Denn das Fleisch gelüstet gegen den Geist und der Geist gegen das Fleisch; und diese widerstreben einander, sodass ihr nicht das tut, was ihr wollt.