Wächter des Wortes
5Mo 4,2-Tests – Teil 4:
Bevor man Lehren prüft, sich selbst prüfen

3×3

Auch wenn die Überschrift vielleicht den Anschein erweckt, dass es hier um einen weiteren Punkt für unser Torah 1×1 geht, tut es das nicht (das ist durch den Zusatz mit der “Zerstreuung & Verwirrung” im ersten Block erst einmal abgeschlossen). Hier geht es stattdessen um eine Hilfestellung, um uns und unsere Gesprächspartner beim Austausch mit unterschiedlichen Ansichten besser zu verstehen

Hierzu möchten wir euch erst einmal drei vermeintlich nicht zusammenhängende Begriffe nennen:

1. Betrunkensein, 2. Angst, 3. Stolz

Wer von euch gerne rätselt, kann an dieser Stelle kurz pausieren und sich Gedanken darüber machen, was diese drei Begriffe a) mit den erwähnten biblischen Gesprächen und b) mit unserem Thema 5Mo 4,2 zu tun haben?
Wir können euch vorab schon mal soviel verraten, dass wenn man diese drei Punkte verinnerlicht hat und sich stets vor Augen führt, wird man viel besser verstehen können, warum viele, nennen wir sie, Debatten so ablaufen, wie sie ablaufen.

Für alle, die nicht rätseln wollen, springen wir direkt zu einer Veranschaulichung, die uns helfen wird, die drei Punkte plus ihre drei Auswirkungen zu verstehen und dann auf uns und unsere Gespräche anzuwenden.

Hierzu stellen wir uns zwei Personen vor, die sich über das “berühmte Thema” der Gültigkeit des Gesetzes austauschen (wir denken, dass die große Mehrheit von euch schon mal solch eine Unterhaltung geführt hat und ihr sozusagen “eure eigenen Erfahrungen” diesbezüglich gemacht habt; dadurch könnt ihr das gleich Folgende auch viel besser einordnen).

Wie so ein Gespräch ablaufen kann, lässt sich im Grunde durch drei Möglichkeiten abdecken:

  1. Die Person zeigt Interesse für das Thema Gesetz.
  2. Die Person versteht sofort, dass es tatsächlich Gottes Wille ist, dass seine Kinder sein Gesetz halten sollen.
  3. Die Person zeigt keinerlei Bereitschaft, die Gültigkeit des Gesetzes zu hinterfragen.

Die erste und zweite Möglichkeit sind natürlich unsere Hoffnungsanker für diese Art von Gesprächen, aber leider kommen sie nur äußerst selten vor. Stattdessen tritt mit Abstand am meisten der dritte und letzte Punkt ein.

Die häufigsten und wichtigsten Gründe warum das so ist, werden wir uns im Folgenden ein wenig genauer anschauen. Beginnen wollen wir mit dem ersten Punkt:

  1. Betrunkensein – die Ausgangssituation

Jer 51,7 Babel war ein goldener Becher in der Hand des HERRN. Mit seinem Wein machte es die ganze Welt betrunken; alle Völker verloren davon den Verstand.

Hier wird uns eine Art Gleichnis oder ein geistliches Bild gezeichnet. Es lautet:
Es gibt den Wein Babels, von dem alle trinken und dadurch wird dann schlussendlich die ganze Welt betrunken.

Wenn wir nun dieses geistliche Sinnbild nehmen und uns dazu einen betrunkenen Menschen vorstellen, können wir einiges daraus lernen.

Was meinen wir damit?

Jeder von uns weiß, dass Menschen unterschiedlich auf Alkohol reagieren. Diese unterschiedlichen Reaktionen wollen wir grob in drei Kategorien aufteilen, wobei wir von einer stark alkoholisierten Person ausgehen (also keine Person, die ein wenig getrunken und sich noch voll im Griff hat):

  1. Die betrunkene Person weiß nicht mehr, wo hinten und vorne ist (verwirrt)..
  2. Die betrunkene Person wird aggressiv.
  3. Die betrunkene Person ist übermäßig euphorisch.

Jetzt wollen wir zu diesen Punkten ein paar Fragen stellen, die die drei unterschiedlichen Möglichkeiten mit unserer Unterhaltung über die Gesetzesfrage in Verbindung bringen werden:

  1. Habt ihr euch schon mal über das Gesetz unterhalten und hattet den Eindruck, dass euer Gegenüber nicht wusste, wovon er eigentlich redet? Dass er oder sie nicht wusste, wo hinten und vorne ist? Also so durcheinander war, dass man dieses “weder hinten noch vorne” sogar wortwörtlich anwenden und sagen könnte: Die Person wusste weder, was hinten im NT, geschweige denn was vorne im AT steht?! Kommt euch das bekannt vor?
  2. Oder hattet ihr schon mal eine Person vor euch, die bei der Gesetzesfrage nicht normal diskutieren konnte, sondern in blinde Raserei geriet und nur noch aggressiv war?
  3. Oder hattet ihr mal eine Person vor euch, die so euphorisch von der vermeintlichen “Freiheit vom Gesetz” war und dementsprechend nur davon redete, wie toll es denn sei, dass sie die Gebote nicht mehr zu halten braucht, weil Jesus sie angeblich davon befreit habe?

Falls ihr einen dieser Fälle oder gleich alle drei kennt, dann hattet ihr im übertragenen Sinne sehr wahrscheinlich einen “geistlich Betrunkenen” vor euch. Denn wie man sehen kann, decken sich die Verhaltensweisen dieser Person mit den Verhaltensweisen eines stark Betrunkenen. Und zwar eins zu eins!

Und sie decken sich deswegen eins zu eins, weil die Personen bei diesen drei Möglichkeiten durch den Wein Babels, also durch den Wein der Verwirrung betrunken und nicht bei klarem Verstand sind. Ganz genau so, wie es der eben gelesene Vers besagt:

Jer 51,7 Babel war ein goldener Becher in der Hand des HERRN. Mit seinem Wein machte es die ganze Welt betrunken; alle Völker verloren davon den Verstand.

Das heißt, dass die ganze Welt geistlich betrunken und verwirrt ist. 

So Gott schenkt, werden wir in unserer “Gefahren im Glauben”-Serie noch sehr genau auf diesen Punkt zu sprechen kommen, aber hier möchten wir abschließend für diesen ersten Punkt am Rande nur zwei Fragen zum Nachdenken mitgeben:

Wenn in einem Gespräch über die Gültigkeit des Gesetzes (oder irgendein anderes Thema) mein Gegenüber nicht offen ist, weil die Lehre Babels, also der Wein der Verwirrung in ihm oder ihr noch so groß ist, was macht es da für einen Sinn, weiter zu debattieren? Würde man auch mit einem betrunkenen Menschen in seinem verwirrten Zustand hartnäckig über wichtige Themen reden oder würde man nicht eher warten, bis er oder sie nüchtern geworden ist?

Über dieses geistliche und gleichzeitig äußerst praktische Sinnbild sollten wir alle etwas genauer nachdenken …

  1. Angst – der Beweggrund Nr. 1

Auch hier stellen wir uns wieder vor, was für Reaktionen erfolgen könnten, wenn ein Mensch in eine Situation gerät, in der er oder sie große Angst empfindet. Genauso wie beim Betrunkenen geht es aber auch hier nicht um kontrollierte Handlungen, wie z.B., dass sich jemand mit seinen Ängsten beschäftigt und sich ihnen dann bewusst stellt. Um so etwas geht es nicht. Es geht, wie beim Betrunkenen zuvor auch, um nicht kontrollierte, impulsive Reaktionen, die mehr oder weniger automatisch zum Vorschein kommen, wenn Menschen mit einer besonderen Situation (in unserem Fall mit einer großen Angst) konfrontiert werden. Auch hier beschränken wir uns wieder nur auf die drei wichtigsten und am häufigsten vorkommenden Möglichkeiten:

  1. Die Person flieht.
  2. Die Person erstarrt.
  3. Die Person greift an.

Also Flucht, Starre, Angriff.

Auch hier wollen wir wieder ein paar Fragen zu diesen Möglichkeiten stellen, die die drei unterschiedlichen Verhaltensweisen mit unserer Unterhaltung über die Gesetzesfrage in Verbindung bringen:

  1. Habt ihr euch schon mal über das Gesetz unterhalten und hattet dabei den Eindruck, dass euer Gegenüber diese Unterhaltung so schnell wie möglich verlassen will? Argumente und Gegenargumente waren dabei von keinerlei Interesse, sondern man versuchte um jeden Preis, das Thema zu meiden.
  2. Oder hattet ihr schon mal eine Person vor euch, die bei der Gesetzesfrage absolut nichts dazu gesagt hat? Man hat nur geschwiegen und war komplett passiv.
  3. Oder habt ihr euch schon mal über das Gesetz unterhalten und hattet dabei einen Menschen vor euch, der alles andere als schwieg, sondern im höchsten Maße drohend wurde und z.B. das “Höllenfeuer” für einen “prophezeite”, wenn man nicht von der Gültigkeit des Gesetzes ablässt?

Falls ja und ihr eine dieser Möglichkeiten mal erlebt habt, hattet ihr sehr wahrscheinlich eine Person vor euch, die von Angst angetrieben wurde – ob es nun aus dem Grund war, dass man Angst hat, aus der Gnade zu fallen, oder aus dem Grund war, dass man Angst davor hat, etwas im Glauben ein Leben lang falsch gemacht zu haben. Die Person wüsste in den allermeisten Fällen nicht einmal selbst, was es genau ist, da diese Dinge eben meist impulsiv und völlig unterbewusst ablaufen. 

Die letzte der drei Möglichkeiten (also dass man extrem drohend wird und Angst hat, etwas ein Leben lang falsch gemacht zu haben) kann nebst der Angst noch einen weiteren Grund haben: Stolz. 

Was uns direkt zum dritten unserer 3×3-Punkte bringt:

  1. Stolz – der wohl am weitesten verbreitete Beweggrund

Wie wir soeben angedeutet haben, kann ein und dieselbe Verhaltensweise mehr als einen Beweggrund haben. Es ist sogar in den meisten Fällen so. Daher darf man die verschiedenen Variablen dieses “3×3” auch nicht isoliert betrachten (!), sondern die Punkte können und werden sich miteinander vermischen. Mal ist der eine Handlungsgrund mehr vorhanden, mal der andere. Mal reagiert die Person nur wie eine der neun Möglichkeiten, mal treffen mehrere zugleich zu. Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich.

Das vorab erwähnt, nun die drei am häufigsten vorkommenden Möglichkeiten, wie jemand bei einem solchen Gespräch reagieren könnte, wenn er “stolz” ist:

  1. Die Person redet von oben herab.
  2. Die Person gibt einer anderen Sichtweise keinerlei ehrliche Chance, wirkt aber so, als würde sie es tun.
  3. Die Person ist stur, uneinsichtig und streitet.

Auch hier wieder die veranschaulichenden Fragen zu diesen drei Möglichkeiten:

  1. Habt ihr euch schon mal über das Gesetz unterhalten und euer Gegenüber hat euch gar nicht ernst genommen? Er hat euch und eure Argumente belächelt und sich euch gegenüber völlig herablassend verhalten?
  2. Oder hattet ihr schon mal mit einer Person zu tun, die so wirkte, als würde sie interessiert zuhören und euren Argumenten eine Chance geben, aber in ihr drin, gab es keinerlei Raum dafür, dass sie falsch liegen könnte? Ihr hattet bei dem Ganzen stets den Eindruck, dass man nur aus Höflichkeit oder aus “christlichem Anstand” interessiert wirkte, aber im Grunde wollte man nur seine eigenen Argumente an den Mann bringen?!
  3. Oder habt ihr euch schon mal über das Gesetz unterhalten und hattet dabei eine Person vor euch, die – egal wie passend und gut eure Argumente auch waren – nicht auf diese Punkte eingegangen ist und stattdessen nur stur und uneinsichtig bei den eigenen Punkten geblieben ist?

Falls ja, hattet ihr wahrscheinlich einen Menschen vor euch, der wegen seines Stolzes es nicht zuließ, Gottes Wahrheit in sich wirken zu lassen. Oder:

Ihr hattet einen betrunkenen
und ängstlichen
und stolzen Menschen vor euch.

Denn wie gesagt, liegen in den seltensten Fällen die Punkte isoliert vor. Es ist meist eine Mischung vieler Dinge, die da zusammenkommen. Das 3×3 soll nur dabei helfen, ein komplexes Thema wie dieses ein wenig anschaulicher und greifbarer zu machen.

blankAber das Allerwichtigste bei dieser ganzen Veranschaulichung ist, dass wir das 3×3 nicht allein nur auf andere anwenden (!), sondern uns selbst daran prüfen und ganz nach dem “Splitter-Balken”-Prinzip fragen: Kommen diese Dinge auch bei mir vor?

Habe auch ich noch Restalkohol vom babylonischen Wein der Verwirrung in mir?
Bin auch ich noch bei einigen Dingen ängstlich, etwas falsch zu machen?
Habe auch ich noch Stolz in mir, weil ich mir hier und da wenig bis keinen Raum für Fehler eingestehe?

Diese und ähnliche Fragen können und werden uns dabei helfen, uns selbst und das “Warum” unserer Handlungen besser zu verstehen. Sie werden uns zeigen – sofern wir ehrlich und aufrichtig zu uns selbst sind –, dass wir im Grunde mit denselben menschlichen Schwächen und mit denselben Herausforderungen beim Verständnis von Gottes Wahrheit zu tun haben, wie unsere christlichen Geschwister in dem Beispiel hier mit der Gesetzesfrage. In anderen Worten:

blankblankAuch wir haben mit dem Wein Babels, der Angst und unserem Stolz zu kämpfen.

Daher dürfen wir nicht mit dem Finger auf andere zeigen und zu allen neun Möglichkeiten “Ja und amen.” sagen, sofern sie nur andere betreffen, sondern wir müssen erkennen und uns aufrichtig eingestehen, dass auch wir von allen drei Handlungsursachen, also von der Trunkenheit, der Angst und dem Stolz betroffen sind.

Denn auch wir alle haben ein Leben lang vom babylonischen Wein getrunken und daher sind auch wir noch ein wenig verwirrt. Auch wenn wir uns aktuell in einer göttlichen Ausnüchterungszelle befinden, heißt das noch lange nicht, dass alles an Verwirrung aus uns raus ist. Es ist im Grunde ein ähnliches geistliches Bild wie mit dem Sauerteig. So wie wir uns von aller Menschenlehre reinigen müssen, die noch in uns ist, so müssen wir uns eben auch vom Alkohol, d.h. von der Verwirrung dieser Welt reinigen.

Dabei dürfen wir aber keine Angst haben, etwas Falsches zu tun. Wie zuvor erwähnt, weiß unser himmlischer Vater, in was für einer Welt wir leben und wie schwierig und herausfordernd es ist, sich in diesem Wirrwarr zurechtzufinden. Wenn aber Angst unser Motivator ist, kann das unschöne Folgen haben, wie es z.B. bei unseren christlichen Geschwistern zu sehen ist, wenn sie aus Angst aus der Gnade zu fallen, die Torah nicht halten; oder wie es bei unseren jüdischen Geschwistern zu sehen ist, wenn sie aus der Angst heraus noch einmal zerstreut zu werden, lieber hunderte und tausende neue Gebote halten, damit sie ja keines der eigentlichen Gebote der Torah brechen. So etwas dürfen wir nicht mehr machen.

Und wie sieht es mit dem dritten Punkt, dem Stolz aus? Sind wir vielleicht noch ein wenig restalkoholisiert und noch ein wenig ängstlich, aber keinesfalls mehr stolz? Weit gefehlt! Es kann sogar sein, dass wir durch die Erkenntnis, die uns geschenkt wurde, stolzer geworden sind als zuvor.

Da diese Baustelle so immens wichtig ist, machen wir hier einen kleinen Exkurs, ehe wir dann im übernächsten Block zur “Umkehrung des 3×3” zurückkommen …