2. Vorsicht: Vermeintliche Widersprüche
Dieser Abschnitt hat einen direkten Bezug zu dem vorherigen. Daher kurz und knapp und ohne Umschweife eine Feststellung: Wenn man sich oberflächlich mit der Heiligen Schrift beschäftigt, ist sie voll von vermeintlichen Widersprüchen. Und zwar von unwichtigen bis hin zu sehr wichtigen, vermeintlichen Widersprüchen. Wie zum Beispiel:
- Das verheißene Land gehört uns (3Mo 25,24). Das verheißene Land gehört dem Allmächtigen (3Mo 25,23).
- Nach dem Tod sind wir bei Christus (Phil 1,23). Erst wenn er wiederkommt, werden wir auferstehen und bei ihm sein (1Kor 15,23).
- Jeder aus Gott Geborene tut keine Sünde (1Joh 3,9). Wer sagt, dass er keine Sünde hat, verführt sich selbst (1Joh 1,8).
- Wir sind frei von der Sünde (Röm 6,18). Die Sünde ist in uns (Röm 7,20).
- Wir sollen nicht richten (Röm 2,1). Wir sollen richten (1Kor 5,12).
- Wir sollen Gott lieben (5Mo 6,5) und fürchten (1Petr 2,17). Aber in der Liebe ist keine Furcht (1Joh 4,18).
- Wir brauchen keine Lehrer (1Joh 2,27). Der Leib Christi braucht Lehrer (Eph 4,11).
- Der Sohn Gottes ist nicht gekommen für Gerechte (Lk 5,32). Aber außer ihm gibt es keinen einzigen Gerechten (Röm 3,23).
- Das Gesetz bringt den Tod (Röm 7,5). Das Gesetz bringt nicht den Tod (Röm 7,13).
- Wir dienen nicht mehr dem Gesetz. Wir sind frei davon (Röm 7,6). Wir dienen dem Gesetz – sogar aus tiefstem Herzen (Röm 7,25).
- Ich sage, dass Jesus mein Herr ist und bin gerettet (Röm 10,9). Ich bin keineswegs gerettet, wenn ich ihn nur mit meinem Mund bekenne (Mt 7,21).
- Wir werden aufgrund unseres Glaubens, nicht aufgrund unserer Taten gerettet (Röm 4,5). Ein Glaube ohne Taten ist tot und wertlos (Jak 2,17) und kann so niemanden retten (Jak 2,14).
usw. usf.
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt zu vermeintlichen Widersprüchen der Bibel, die natürlich nur aus ihrem Zusammenhang gerissen wie Widersprüche aussehen. Selbstverständlich kann man sie alle aufklären – manche davon einfach und schnell, andere wiederum dauern ein wenig länger. Was aber nahezu alle vermeintlichen Widersprüche gemeinsam haben, ist, dass sich in ihnen – durch unsere nun bekannte “persönliche Fleischbrille” – eine große Gefahr verbirgt. Diese Brille lässt uns nämlich, wie zuvor erwähnt, diejenigen Verse sehen und annehmen, die unserem Fleisch guttun und die anderen “wiederum steht geschrieben”-Verse blendet man bewusst oder unbewusst aus.
Für unsere eben gelesenen Verse bedeutet das, dass diese vermeintlichen Widersprüche offensichtlich eine Klärung anhand der Heiligen Schrift benötigen. Da nützt es nicht, einfach zu sagen: “Na ja, es mag zwar andere Verse geben, aber ich weiß und bin der festen Überzeugung, dass a) ich nur mit meinen Lippen bekennen muss und gerettet bin, b) das Gesetz abgeschafft ist, c) ich keine Werke benötige, sondern nur glauben muss usw. usf. Ich weiß das alles einfach; und ich weiß, dass diese Verse die entscheidenden sind und nicht die anderen.”
Eine derartige Vorgehensweise (also etwas anzunehmen, ohne es gründlich geprüft zu haben) ist voreingenommen, unweise und am Ende fatal. Jedes “es steht geschrieben” muss mit jedem anderen dazu passenden “wiederum steht geschrieben” in Einklang gebracht werden. Und je wichtiger das Thema ist, desto wichtiger die Klärung. Denn, wie bereits im Abschnitt zuvor erwähnt, möchte das Fleisch das “wiederum steht geschrieben” meist nicht hören, denn es bedeutet a) Arbeit, Zeit und Fleiß, die Verse in Einklang zu bringen, b) die Möglichkeit sich einzugestehen, dass man falsch lag und c) bleibt man viel lieber bei dem, was man glaubt, als sich und seinen Glauben durch das Heilige Wort zu prüfen; denn das würde ja Veränderung bedeuten.
Generell gilt daher:
Haben wir Verse, die eindeutig eine Wahrheit bekunden, können andere Verse nicht das Gegenteil aussagen. Ganz wie wir es bereits im Laufe dieser Serie durch Mt 4,6-7 sehen konnten:
Mt 4,6-7 [Der Teufel] spricht zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürze dich hinab; denn es steht geschrieben: »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben, und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht etwa an einen Stein stößt«. Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht geschrieben: »Du sollst den HERRN, deinen Gott, nicht versuchen!«
Hier werden uns gleich mehrere wichtige Dinge gezeigt:
1. Der Widersacher kennt die Schrift. Hier findet die Versuchung also nicht durch eine Lüge oder durch eine Lüge gemischt mit Wahrheit statt, sondern allein nur durch das Wort Gottes selbst. Der Teufel sagt also nicht, wie im Garten: “Hat Gott wirklich gesagt?”, sondern er sagt: “es steht geschrieben“.
2. Nur weil etwas geschrieben steht, heißt das noch lange nicht, dass man das immer einfach so eins zu eins anwenden kann, denn …
3. Wir müssen jede Aussage mit der Fülle der ganzen Heiligen Schrift abgleichen und können Stellen nicht isoliert für unser Verständnis heranziehen. Wir müssen uns mit allen Versen beschäftigen und alle vermeintlichen Für und Wider in Einklang bringen, denn es gibt keine Widersprüche. Jede andere Vorgehensweise führt ins Chaos, weil wir jedes Mal unsere eigene vorgefasste Meinung als Grundlage nutzen und so der immensen Gefahr unterlaufen, dass wir es nicht zulassen, dass der heilige Text in seiner Ganzheit uns Aufschluss über den Willen Gottes gibt. Stattdessen denken wir, weil wir alles durch unsere persönliche Brille sehen, dass alles recht ist, was wir tun und glauben. Ganz nach dem Motto:
Spr 21,2 Jeder Weg eines Menschen ist recht in seinen Augen, aber der HERR prüft die Herzen. [SLT]
So ein Selbstbetrug darf bei uns nicht vorkommen! Wir müssen alles in Einklang bringen und nach der Ganzheit der Heiligen Schrift leben:
Jak 1,22 Seid aber Täter des Wortes und nicht bloß Hörer, die sich selbst betrügen. [SLT]